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271 ment, noch eine Injurie bedeuten solle und daß Jemand, der öffentlich so genannt wird, nicht das Recht habe, sich sür be leidigt zu halten. „Man würde das nicht für wahr halten," sagt ein Journal, „wenn man nicht wüßte, daß das Wahre oft unwahrscheinlich ist." Launiger Anekdoten-Bazar. — Dem Bürgermeister eines Städtchens wurde anonym gemeldet, es halte sich ein Frauenzimmer in der langen Straße auf, die verdächtigen Lebenswandels sich schuldig mache, sie sei schön, jung, besuche vornehme Gesellschaften, spiele hoch und habe immer ein Möpschen bei sich. Der Bürgermeister versammelte hierauf alle seine Gerichtsdicner und Knechte, um das Nähere über diese Anzeige zu erfahren und die Person beobachten zu lassen. Alle rapportirtcn aber schon Tages dar auf, ein solches Frauenzimmer sei nicht im Städtchen. Der Bürgermeister wurde zornig, sagte, „sic müsse da sein, die Anzeige wäre zu bestimmt, und wer ihm nicht in 24 Stun den die genaue Kunde brächte, der bekäme seinen Abschied." Doch einer nach dem Andern kam mit betrübtem Gesicht und behauptete, die Auffindung sei unmöglich, es befinde sich nun einmal kein solches Frauenzimmer hier. Nur Einer, den man sür den dümmsten gehalten hatte, rapportirte: „Ich hab's! Herr Bürgermeister, aber die Sache verhält sich anders als angezcigt worden ist. Sie wohnt nicht in der langen Gasse, sondern im Herdwinkel, und ist nicht jung und schön, sondern alt und garstig. Mit den Gesellschaften ist's auch nicht weit her, so wenig als mit dem Spiel, welches immer in Hundert Eins besteht, der Hund ist da, aber es ist kein Mops, son dern ein großer Pudel, und es ist auch kein Frauenzimmer, sondern ein Fuhrmann." — Jetzt hatte der Bürgermeister genug und warf den Rapporteur zur Thür hinaus. — Zwei sehr schweigsame Brüder, beide Occonomen, gingen zusammen auf Reisen. Der Anblick der schönsten Kunstschätze vermochte nicht, ihnen nur ein Wort der Bewunderung zu entlocken. Unweit N. gelangten sie an eine Wiese von unge wöhnlich üppigem Graswuchse. Da strömte des Aeltestcn Herz über und er sprach: „O über die schönste Wiese!" Der Jüngere schwieg. Sie reisten durch die Schweiz, ohne zu sprechen, ein Muster der Verträglichkeit unter Brüdern. Als sie aber auf dem Heimwege wieder an jener Wiese vorüberkamen, sprach der Jüngere, zum ersten Male von Begeisterung ergriffen: „Ach und wie grün, wer sie doch besäße!" — Diese uner hörte Geschwätzigkeit führte den Bruch des schönen geschwister lichen Verhältnisses herbei; die Brüder trennten sich schwei gend und jeder Versuch, ihre Aussöhnung zu bewerkstelligen, blieb erfolglos. — Ein. berühmter Pariser Zahsiarzt ließ einen jungen Mann, der ihm für hundert und fünfzig Franken seine Zähne nach seinem Tode verkauft hatte, vor das Zuchtpolizeigericht laden, unter der Anklage, das er ihm einen beträchtlichen Schaden zugcfügt habe, indem er sich vor dem zur Ablieferung festgesetzten Termine mehre Zähne habe hcrauszichen lassen. Der Zahnarzt behauptete, daß er, als einziger Eigenkhümcr der Kinnlade des Verkäufers, auch der einzige gültige Richter sei, um über die Fälle zu entscheiden, in welchen man etwas davon wcgnchmen könne und daß er dann allein das Recht habe, die Operation vorzunehmen. Der Beklagte gestand ihm dieses letztere zwar zu, lehnte jedoch im Voraus das etwaige Ansinnen ab, dafür Bezahlung zu leisten, indem er bemerkte, daß die Kinnlade nicht ihm, sondern dem Arzte gehöre, dieser doch für eine Arbeit an einer ihm selbst eigenthümlichen Sache unmöglich etwas fordern könne, denn, fände derselbe, als einziger gültiger Richter, es für nothwendig, ihm vor seinem Tode die gesammten, noch vorhandenen achtundzwanzig Zähne nach und nach herauszunehmen und verlangte er nur für die Herausnahme eines, jeden den gewöhnlichen Preis von sechs Franken, so wäre er, Beklagter nicht allein noch vor seinen Dahinscheiden aller Zähne beraubt, sonder» würde über- dicß auch achtzehn Franken effektiven Schaden haben. Der Arzt entgegnete darauf, daß es ihm, wenn er keine Bezah lung erhielte, auch sreistehen müsse, die Zähne stückweise herauszubrechen, abzufeilen und beliebige Experimente damit vorzunchmen. Da der Richter sich aus diesem Labyrinthe von Streitfragen nicht heraussinden konnte, bemühte er sich, die Sache in Güte beizulegen, und fragte daher den jungen Mann, ob er nicht die für sein Gebiß empfangenen hundert und fünfzig Franken zurückzuzahlen im Stande sei. Der Be klagte bekannte darauf unverholen, daß er jene Summe an demselben Abende, da sie ihm ausgezahlt worden, im Palais royal verspielt habe und zur Zeit nicht einen Sous in Ver mögen besitze. — Man ist sehr neugierig auf den Ausgang dieses Rechtsstreits. Bonbonniere für Damen. Heilige Demuth! einzige Jugend, die nicht vom Menschen, sondern von Gott geschaffen wird! Du bist höher als Alles, was du verbirgst oder nicht kennst! Du himmlischer Licht strahl, wie das irdische Licht zeigst du alle fremde Farben und schwebst unsichtbar ohne eine im Himmel! Niemand entheilige deine Unwissenheit durch deine Belehrung! Sind deine kleinen weißen Blüthen gefallen: so kommen sie nicht wieder, und um deine Früchte deckt dann nur die Bescheidenheit ihr Laub. Es giebt Augenblicke, wo die beiden Welten, die irdische und die geistige, nahe an einander vorüberstreifen und wo Erdentag und Himmclnacht sich in Dämmerungen berühren. Wie die Schatten der himmlischen Glanzwolkcss über die Blüthen und Ernten der Erde weglausen: so wirst überall der Himmel auf die gemeine iFläche der Wirklichkeit seine leichten Schatten und Wicderscheine.