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224 fand, war das Haus zum Ersticken voll. Der alte Burmei- ster, dieser Veteran unserer Bühne, sprach den Epilog Theodor Hell's mit Rührung. Am Schluffe des Lessing'schen Lustspiels (Minna von Barnhelm) rief man natürlich Alle. Der Tell- heim ist eine von Heckschers wahrhaft vortrefflichen Rollen; die Anschütz als Minna schien mir nicht ganz in ihrer Sphäre, obwohl sie weit mehr Lob als Tadel verdient. Ueberhaupt ist dieses Stück eins von denen, die hier sehr gut gehen, selbst Dittmarsch war, bis auf vielfältiges Versprechen, nicht schlecht. Heine als Riccault, Pauli als Just und Keller als Wirth ließen durchaus nichts zu wünschen übrig. Heckscher erregte vorzugsweise die Theilnahme des Publikums, da dieses weiß, daß er schon im nächsten Juni die hiesige Bühne verläßt. Sein Verlust wird allgemein beklagt — eine Genugthuung, die der brave Künstler verdient. Aber sein Abgang ist zu seinem eigenen Vortheil nothwendig; er war hier nicht nach Kräften beschäftigt, Devrient nahm ihm, selbst noch in der letzter» Zeit, alle Parthien weg, z. B. Egmont, Fiesko u. s. w. Welche Nachtheile solche Rollenmonopole bringen, sah man neulich wieder bei der Aufführung der Jungfrau von Orleans. Heckscher wird, wohin er auch geht, erst ohne jene Schranken in vollem Maße zeigen, daß er zu den bedeutendsten deutschen Schauspielern gehört. Talent, ernstes Streben und äußere Mittel sind in und an ihm im hohen Grade vereinigt. Zur Kenutniß des vorigen Jahrhunderts. Briefe eines Reisenden in den Jahren 1778—1782, welche vr. Guttcnstein mitgetheilt, enthalten interessante Züge für die Kenntniß des vorigen Jahrhunderts. So spricht sich der gemülhliche Tourist über Sachsen also aus: „Ich reiste über Freiberg, Maricnberg, Annabcrg, Zwickau und Altenburg nach Leipzig. Das Volk in den kleinsten sächsischen Berg- städtcn, die ringsum durch wilde Gebirge von der übrigen Welt getrennt sind, ist artiger, gesitteter und aufgeweckter, als in den größten Städten von Süddcutschland. Die Lektüre ist hier zu Lande fast allgemein. Geselligkeit und Gastfreiheit begleiten und ermuntern den angestrengten Fleiß. Freimüthig- kcit, Weltkenntnis, Witz und munterer Scherz beleben auch die Gesellschaften Mittlern Rangs. Die holden Sachsenmäd chen sind in der Regel schönwuchsig, durch liebliche beseelte Gesichtszügc ansprechend ausgezeichnet, munter und doch sanft, wohlgesittet und zum Hauswesen gebildet." Den Töchtern der Landcdellcute in Sachsen gicbt unser Berichterstatter fol gendes Jeugnifi: „Sie sind die artigsten und verliebtesten Geschöpfe von der Welt; ihre natürliche Empfindsamkeit nimmt in der Stille des Landlebens einen romantischen Schwung, der in allen ihren Geberden, Blicken und Re^en sich offenbart und die lieben, mit allzusehnsüchtigcn und gefühlvollen Herzen begabten Kinder nicht selten zu unbesonnenen Schritten hin reißt. Entflohene Liebesleute, Entführungen, Mißheira- then kommen hier zu Lande sehr häufig vor. Ich fand in Schwaben, Baiern und Oestreich Sächsinnen aus guten Hau sern , die während des letzten schlesischen Krieges mit kaiser lichen Lieulnants wie Ofsicieren von der Reichsarmee durch gegangen waren; alle sind zärtliche Gattinnen und Mütter geworden. Zu Prag fand ich ein sächsisches Fräulein von gu tem Hause, welches aus Uebermaß von Empfindsamkeit, wie es mir selbst mit Thränen gestand, ein sehr gemeines Mäd chen geworden war. Lessing's Minna von Barnhelm hat auch etwas von diesen Zug von lieber Schwärmerei; jedch ist ihre charakteristische Laune mehr die Art der sächsischen Stadtfräu lein; das Pikante und Neckende der Minna haben die Land fräulein nicht; diese sind in der Regel finniger, nachdenkend, schmelzend und schmachtend; aber alle sind schön, wie Engel. Die sentimentalen, herzbrechenden Romane und Schauspiele, die jetzt herrschende Modelektüre in Deutschland sind keine zu trägliche Nahrung für die von Natur so zärtlichen sächsischen Landfräulein." Leipzig wird folgendermaßen geschildert: „In Leipzig herrscht gegenwärtig bei weitem mehr Luxus und Ver schwendung als in Dresden. Man spielt fast in allen Ge sellschaften und oft unmäßig hoch. Es werden hier sehr viele Bücher gedruckt und verlegt, denn Leipzig ist der große Lite raturmarkt; viel Gereimtes und Ungereimtes wird hier ge packt und in alle Welt versandt. Unter dem Schwarm der hiesigen Gelehrten giebt es viele Stutzer, Klcinmeister und Unwissende, so daß ich in einigen Gesellschaften mich nach Wien versetzt glaubte, wo die Gelehrten und Friseurs in einem Range rouliren und auch gleich zahlreich sind. Allein die beträchtliche Anzahl der Männer von Verdienst, welche den Troß dieser vorgeblichen Literatoren so verachten, wie er cs verdient, ließ mich bald wieder den Unterschied bemerken. In allen Fächern sinder man hier einige vortreffliche Männer, ausgezeichnet durch wcrthvolle literarische Arbeiten, anerkannt wegen ihrer tiefen und umfassenden Gelehrsamkeit." — - Erklärung der Modeukupfer. 1. Frack mit Shawlkragen, blanken Knöpfen und Seiten taschen in den Schößen. Beinkleider und Weste hellfarbig. Cra- vatte dunkel. Spitzenjabot. 2. Anzug einer Reitdamc. Amazonenkleid von Tuch; das Leibchen ist glatt und mit drei Reihen Knöpfe besetzt, oben hat es einen zurückgeschlagenen Sammetkragen. Cravatte blaßblau und obenherum eine Fraise. Mütze gleich ben Herren-Mützen. 3. Kinderanzug. Kleid von lichter Farbe mit glattem Leib chen, oberhalb eine Berthe von demselben Zeug und kurze Aermel. Cravatte rarrirt. Zughütchen von Seide. 4. Seidener Hut, bufsig gearbeitet und Blumen unter dem Schirm, die Bindebünder sind von Zeug, lang und sehr breit. Ueberrock von changirtem Stoff, glatter Taille und anliegenden Aermcln; AUeS ist mit Posamentierarbeit besetzt. 5. Seidener Jughut mit einer Feder geschmückt. Ueberrock von 6ros cko iXnpIvs. Taille, enge Aermel und Rock sind mit elastischen Buffen besetzt. Der Ausschnitt ist mit Spitzen garnirt. Druck von E. P. Melzer in Leipzig.