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223 Sanguinismus machte damals der Direktion große Elogen und nannte die Aufführung des Hcrvdcs eine gute That. Nun zeigt sich's, wie cs damit beschaffen war. Musik in Kopenhagen. Man schreibt uns aus dieser Stadt: Neulich wurde hier Mendelssohn-Bartholdy's Paulus zur Aufführung gebracht und erweckte die lebhafteste Begeiste rung unter den zahlreich versammelten Zuhörern. Auch hörten wir des Meisters Ouvertüre: die Hebriden, und einige Lieder von ihm. Durch Mendelsohns Eompositionen geht ein Zug, der uns Nordländern vorzugsweise werth sein muß. Wir freuen uns schon auf künftigen Winter, der uns wiederholte Genüsse dieser Art bieten wird. Die Berliner Jünglinge. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts schrieb eine reisende Dame an ihren Bruder unter anderem Folgendes aus Berlin: „Die Berliner Jüng linge hören sehr früh auf zu lernen; desto früher aber spotten sie ihrer Lehrer und lehren selbst. Die neuern Erziehungsmetho den bringen ihnen zeitig einen Ekel gegen Subordination und Einfügen in bürgerliche Verhältnisse bei. Anstrengung ist ihr Tod, weil alle Lehrarten nur dahin abzwecken, dem Kinde das Lernen möglichst zu erleichtern, und Alles spielend bei zubringen. Nun solls durchs ganze Leben spielend gehn. Durch das Beispiel glücklicher Vorgänger und guter Köpfe verleitet, wollen sie sich ein 8»rt erschreibcn; sie thun's und erzeugen jene Flugschriften, Riltcrromane und den ganzen Troß des zu diesen gehörigen Gefolges, wodurch sie der bessern Lesewelt Ekel, so wie der Gesellschaft durch ihre Prätensionen und Anregung Widerwillen erregen." Die fruchtbare Gräfin. Vor Kurzem bol ein Eng länder für die in der Kirche im holländischen Dorfe Loos- duyncn befindlichen kupfernen Taufbecken, .worin nach einer alten Sage die drcihundertfünfundsechzig Kinder der Gräfin von Hcnnegau getauft sein sollen, eine Summe von 5000 Gul den. Merkwürdig genug ist, daß die holländische und latei nische Ueberschrift an diesem Becken die Wahrheit dieses Mähr- chens, zu welchem ein starker Glaube gehört, beurkundet. Deutsche Musik in Frankreich. Man kann be haupten, daß die Franzosen eben so gern deutsche Musik hören, wie wir französische. Im Conservatorium zu Paris werden Beethovens Symphonien mit immer erneutem Enthusiasmus ausgenommen. Noch vor einem Decennium hätte man das den Franzosen nicht zugctraut. Jetzt wird der Freischütz neu cinstudirt. Da die Franzosen aber lmit Recht) in großen Opern die Zwischcnredcn nicht leiden mögen, so schreibt Ber- lioz die Recitative der Weber'schcn Oper. Die Krvatengräber. Diese Benennung führt eine Gegend in Thüringen nach einer Sage aus dem 30jährigen Krieg; welche an die durch Kaulbach's großartiges Bild be rühmt gewordene Hunncnschlacht erinnert. In jener Gegend wurden nämlich eine starke Abtheilung Kroaten in ihrem Lager von den Schweden angegriffen und zusammen gehauen. Aber auch viele Schweden blieben und wurden mit den Kroaten dort begraben. Nun ereignet sich's alle sieben Jahre am Tage des Treffens in der Mitternachtsstunde, daß die Schatten der Soldaten aus den Gräbern erstehen, zu den Waffen greifen und die Schlacht schlagen. Da ertönen die Trommeln, da schmettern die Trompeten, da krachen Schüsse, und Reiter und Fußvolk machen sich gegenseitig nieder. — Hier hat man wieder ein Beispiel, wie die Sagen des Volks sich immer wiederholen. Symbol der Unschuld. Der witzige Professor Lichten berg wurde einst gefragt, warum die Degen, welche die Pro fessoren in Göttingen zu tragen pflegen, weiße Scheiden haben? „Zum Zeichen ihrer Unschuld," war die beißende Antwort. Bericht aus Dresden. Der Ruf unseres neuen Theaters wird die Runde durch Europa machen. Ist es möglich geworden, unfern Architek turgeschmack mit klassischer Reminiscenz gleichsam voll zu tränken, so ist cs bei diesem Prachtbau! Denn deutlich er innert das Amphitheater, in welcher Form die Schaubühne sich erhebt; das hinter einander allmähliche Aufsteigen von 6 bis 7 Sitzreihen, an jene alten Circus. Fast ganz rund ist das Parterre; ein Kugelschild der wunderherrlich gemalte Plafond, der tiefer hcreinhängt, als die bis dicht an das Fenstcrdach gehenden letzten Bänke der Galleric. Nirgends Käfige oder Bogen, ausgenommen um das Parterre herum, wo keine unharmonische Störung durch sie entsteht — Alles sitzt frei auf den rothgepolsterten Stühlen hinter weißen Brust lehnen, die auf blauen Feldern goldene Ornamente tragen. Findet man vielleicht auch prächtigere Theater — wiewohl gewiß keine eleganteren — so sind jedenfalls die Corridor's, welche zwischen den Fenstern der Rotunde und den Bogen gängen laufen, einzig in Europa! Denn hier ist ein Ge schmack, Glanz, Sinn entwickelt, der den Wandelnden bald in einen Salon, bald in eine Villa, bald in gothische Hallen versetzt, hier schreitet man auf parkcttirtem Boden, sieht Dres den als herrliches Bild vor sich, blickt in goldgerahmte Tru- mcaur, sitzt auf gelb- oder rothseidenen Divans; auf der Decke die niedlichsten Gemälde in pompcjanischer Einfassung; alte und neue Dichter, Musiker und Schauspieler durch Scenen verherrlicht, ihre Namen in Bronce dabei, die Koryphäen aber in Büsten; zwei Treppenhäuser führen zu zwei großen Gaskandelabcrn, die unter'm Lichte des Himmel brennen, denn hier ist Glasdach von oben — kurz, die kühnste Er wartung sieht sich hier durch den Geschmack wenigstens, über- troffcn. Dabei eine Leichtigkeit der Maschinerie — das Po dium ist dreifach, also die ganze Bühne zweimal plötzlich zu verwandeln — Alles ist eben so schön als zweckmäßig, bis auf die'Ankleide-, Sprech-Zimmer u. s. w. Wirklich war diese Eleganz nur bei dem ticfeingcätzten Haffe gegen die alte Bude möglich, und in sofern sind wir derselben noch Dank schuldig. Sie wird bald nicht mehr sein; schon bei dem Abschiedsessen der Schauspieler (am Montag vor acht Tagen) sind die ersten Hiebe in das alte Podium geschehen. Am 31. vergangenen Monats, wo die letzte Vorstellung statt