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170 niedrig; wenig Garnitur. Was die Nuancen des Tuches, der Stoffe für Gilets und Pantalons betrifft, so kann man sich gar nichts Verschiedenartigeres denken, aber auch nichts Luxuriöseres, wie wir es in dem Magazin Roolfs gesehen haben. Durch seinen requisiten Geschmack, der das Elegante und Moderne mit dem Wohlkleidenden und Anmuthigen ver bindet, durch die Wahl reicher und mannigfaltiger Stoffe, rechtfertigt dieser KIciderkünstler das Zutrauen, was ihm von der sashionablen Welt geschenkt wird. Feuilleton. Luther über die Ehe. Nicht uninteressant wird den Lesern folgende Stelle aus den Schriften des großen Refor mators sein: „ Natürliche Liebe ist zwischen Vater und Kin der, Bruder und Schwester, Frau und Schwager, u. dcrgl., aber über alle die gehet die eheliche Liebe, das ist eine Braut leuchte, die brennet wie das Feuer, und suchet nicht mehr, denn das eheliche Gemahl, die spricht: Ich will nicht das Deine, ich will weder Gold noch Silber, weder dies noch das, ich will dich selbst haben, ich will's ganz oder gar nichts haben. Darum leidet Gott solche Brunst, die er dem Bräutigam und der Braut eingegeben, und gedacht: Ich muß den Narren so eine Kappe anziehen, daß sie zusammcnkommen, denn, wo das nicht wäre, könnte man die Leute nimmer in das eheliche Leben bringen, und wo auch solche Brunst und Liebe immer stets bliebe, so fräße eins das andere vor großer Liebe, wie man im Sprichwort sagt. Gott hat es sehr wohl geordnet, daß er die Leute in solchen Stand bringet, ehe sie sich (Un glück und Traurigkeit) wissen und gewahr werden. Das jun ge Volk hetzet zusammen in den Ehestand mit Pfeifen, Pau ken und Tanzen, daß sie mit Freuden hinangehen und wäh nen, cs sei eitel Zucker, Aber also muß er sie hinanbringen, und dem Ochsen das Seil auf die Hörner werfen, da nach, wenn sie drinnen sind, findet sichs viel anders, daß ihnen der Kützel wohl vergehet, und die Freude und Lust wohl versalzen wird mit Unglück und Traurigkeit." Die Sängerin Fräulein Unghcr, welche vor zwei Jahren in Dresden so große Sensation erregte, ist daselbst für den nächsten Sommer zu einer Reihe von Gastvorstellungen engagirt. Madame Schröder - Devrient geht bekanntlich im Laufe des Sommers nach London, um dort bei der deutschen Oper mitzuwirken. Christliche Liebe. Ein Abbv von hoher Herkunft mußte einst in einer Dorfkirche predigen. Gewohnt, nur zu Vicomtes, Marquis u. s. w. zu sprechen, besann er sich lange auf eine passende Anrede; endlich begann er: „In Christo — liebe Canaille!" Seltsame Zerstreuung. Ein Leipziger Schriftsteller kam vor Kurzem aus dem Conccrte nach Hause, wo man Beethovens 6 moll Symphonie aufgcführt hatte. Er setzt sich an seinen Schreibtisch und fängt an zu arbeiten, aber eine Melodie aus der Symphonie summt ihm noch im Kopfe her um. „Woher ist das?" fragt er sich und kann sich durchaus nicht erinnern. „Mein Gott," ruft er aus, „wie kann einem doch so eine Stelle plagen!" Endlich springt er auf. „Ich hab's!" und schlägt im „Faust" von Göthe nach, um die fragliche Stelle aufzusuchen. Ein Narr. Zur ersten Zeit der französischen Revolu tion pflegte X., ein ebenso leidenschaftlicher Republikaner, als Schachspieler niemals „Schach dem Könige," zu sagen, son dern „Schach dem Tyrannen!" brüllte er jedesmal, die Hände ballend. Wort und Gedanke. Jeder wird cs an sich selbst em pfunden haben, daß für manchen Gedanken, für manches Ge fühl ihm die Sprache nicht ausreicht. So beklagt sich Schiller an mehren Stellen über die Unzulänglichkeit des Worts im Verhältniß zu dem ursprünglichen Gedanken. Wahrhaft rüh rend erscheint uns diese Klage in einem Briefe an seine nach- herige Gattin, Charlotte von Lengcfcld. „Ihre Empfindungen an diesem Abend," schreibt er, „waren eine dunkle Ahnung von den meinigen, und ich wünschte sie wären ein Abdruck davon gewesen; so hätten sie mich ohne Worte verstanden, und alle Menschen und menschenähnliche Wesen um uns her hätten unsere Sprache nicht gestört. Ich hatte in meinem Karlos eine Stelle, die ich mit der ganzen Scene, worin sie stand, weggelasscn habe. Diese Stelle drückt am besten aus, was ich hier meine." Die später unterdrückten Verse lauten nämlich so: Schlimm, daß der Gedanke Erst in der Worte todle Elemente Zersplittern muß, die Seele fl» im Schalle Verkörpern muß, der Seele zu erscheinen. Den treuen Spiegel halte mir vor Augen, Der meine Seele ganz empfängt, und ganz Sie wiedergiebt; dann, dann hast Du genug. Das Räthsel meines Lebens aufzuklären. Nach mehr als sechs Jahren kommt er auf dieselben Worte zurück und führt sic, wahrscheinlich aus dem Gedächtnisse, etwas verändert, in einem Briefe an W. von Humboldt an. Dabei macht er die Bemerkung: „Diese Stelle drückt einiger maßen aus, was ich jetzt in gewissen Momenten fühle, wenn ich Ihnen oder auch Körner'n schreiben will." Das Distichon mit der Aufschrift: Sprache, bringt uns den gleichen Gedanken, der Schillern quälte, in folgender Ge stalt wieder: „Warum kann der lebendige Geist dem Geist nicht erscheinen? Spricht die Seele, so spricht ach, schon die Seele nicht mehr!" Theatcrapplaus. Dieser hängt bekanntlich sehr oft von ganz unbedeutenden Dingen ab. Eben dieselbe Meinung hegte schon einst Horaz. In einer Epistel an den Kaiser August (Buch 2, l.) räth er diesem ab, die dramatische Kunst zu begünstigen (er spricht als Römer, die nie etwas im Drama leisteten) und sagt unter Anderm, der Applaus des Publikums gleiche dem Brausen des Meeres und breche schon los, ehe der Schauspieler noch ein Wort gesprochen. „Sagte er was?" fragt Einer im Parterre. „Nein, gar nichts!" —> „Aber warum klatscht man?" — „Nun, sehen Sic denn nicht das schöne veilchenblaue Gewand?" Die dramatischen Poeten