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IN , reichten ihm die Schlüssel der Stadt Jerusalem und des heiligen Grabes und baten Namens ihres Herrn und aller Christen des Morgenlandes um seine Hülfe gegen den Tyrannen Saladin. Gerührt von der Erzählung ihres Unglücks und aller ihnen drohenden Uebel, berief König Philipp sein Parlament, d. h. die Räthe seines Conseils, die Prä laten und die vorzüglichsten Feudalherren seines König reichs. Einstimmig wurde beschlossen, daß der König persönlich an der Expedition nicht Theil nehmen, sondern daß auf Kosten der Krone ein tüchtiges Heer von Rit tern und Mannen gesendet werden sollte, während die Bischöfe in ihren Sprengel» einen neuen Krcuzzng zur Bcrtheidigung des Glaubens predigen würden und alle Corporationen und Brüderschaften der vorzüglichsten Städte Frankreichs zu Geldbeisteuern aufgefordert wer den sollten. Natürlich wurden dabei die sechs Körperschaften der Stadt Paris nicht vergessen und Maurice de Sully als Bischof von Paris erschien, mit Michel Guillemin auch bei Meister Mathieu Coquelin, dem Oberältesten der Tuchmacher, in dieser Angelegenheit. Die beiden Commissäre des Königs erklärten dem Tuckmacher die Ursache ihres Erscheinens und schlossen ihre Anrede mit der einem Befehl sehr ähnlichen Ein ladung: ,,Die Corporation der Tuchmacher ist die reichste aller Gesellschaften der Hauptstadt; überdieß wurde sie von dem König Philipp bei Gelegenheit der Consiscation der jüdischen Besitzungen auf das Herr lichste beschenkt; daher ist es nun auch an ihr, allen übrigen als ein Muster der Dankbarkeit und Ergeben heit voranzuleuchtcn und in den Staatsschatz die ersten nöthigen Summen zu einem dem französischen Namen so ruhmvollen und unsrer heiligen Religion so heilsa- sam Krieg, reichlich zu spenden." Monseigneur Herr Bischof und Messire Herr Prä sident, entgcgnele der Tuchmacher, ich möchte sehr gern Namens der Körperschaft, deren Oberältcster zu seyn ich die Ehre habe, antworten können, daß wir so gleich zu Erfüllung solcher Forderungen bereit seyen; 112 denn alle guten Bürger schulden der Religion und der Krone stets ihren Beistand. Allein der ganze Tuch handel ist sitzt so tief gesunken, daß wir trotz der könig lichen Geschenke kaum den, von unfern Statuten und den Gesetzen des Königreichs auferlegten Lasten und Ausgaben genügen können. Seit der Judcnvertreibnng haben wir ungeheure Summen verloren; denn Ihr selbst wisset wohl, Monseigneur und Messire, daß wir durch die Industrie der Juden ans geradestem Weg die Tuche von Segovia in Spanien, Pesth in Ungarn und Cam bridge in England erhielten, wahrend wir jetzt auf das französische Tuchfabrikat einzig beschränkt sind, was lies unter den Fabrikaten von Segovia, Pesth und Cam bridge steht. Daher kaufen auch alle Herren vom Hof, die Häupter der Kirche und die reichen Bürger nichts mehr von uns und beziehen ihren Tuchbedarf vom Ausland, mittelst der griechischen und armenischen Kauf- leute, welche auf die Messen von Landy und St. Ovid kommen. Dauert dieß noch eine Weile so fort, so werden, Messeigneu.s, die Tuchmacher von Paris und der andern Städte Frank,eichs unfehlbar an den Bet telstab kommen! Indessen, Monseigneur und Messire, wollen wir uno zur Ader lassen, und jeder von uns wird nöthigcnfalls einen Theil von der Ausstattung sei ner Kinder nehmen, um dem König und unsrer Mut ter, der heiligen Kirche, ein neues Pfand seiner Liebe zu geben. Maurice Sully und Michel Guillemin zogen sich zurück, nachdem sie dem chrwindigen Obcrältesten der Tuchmacher rührende Beweise ihrer Sympathie und Theilnahme gegeben hatten. Aber der Gedanke, nicht sogleich dem Willen des Königs gehorcht und sich nicht als Repräsentant einer ganzen Körperschaft freigebig und glänzend gezeigt zu haben, quälte das Gcmüth des guten Mathieu Coque lin gewaltig. Nachdem er seinen Laden geschlossen, seine Commis zu Bett gesendet hatte, erschien er ganz gegen seine Gewohnheit mit umwölkter Stsin und kum mervoller Miene im Kreis seiner Familie. (Fortsetzung folgt.) l Modebilder 33-37. Patronen 39 — 45.)