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37 38 Licblingsfarben für Staatsfräckc sind: Schwarz, Dunkelblau, Urica, Olivengrün, Dunkelcichapfcl. Die Staatswestcn haben keine besondere Aen- dcrung erfahren, sind noch immer schalsörmig und knö pfen sich hoch hinauf. Man faßt sie sammtlich mit einem ganz kleinen flachliegendcn Bürdchcn, genau nach den Farbennüanccn der Weste selbst ein. Lieblingsstoffe für solche Westen sind: brochirte Sammte von verschiedenen Farben, jedoch hat die Farbe blauer»«« oder rosaröthlichweiß, Weiß mit Rosaschim mer den Vorzug vor allen andern Farben erlangt. AlleToilcttepantalons macht man von schwar zem Satin oder Casimir. Sie sind durchgängig Halb enge, fallen gerade auf den Stiefel hinab, decken jedoch die Fußspanne nur soviel, daß man Schuhe dazu anzie- hen kann. Bericht von Rouzet. Der Schnitt an den Leiben von Fracken und Ob er rocken für die eigentliche Toilette bildet sich an den Rückentheilen ziemlich cylinderförmig; man sieht dort nichts mehr von jenen geraden Nahten zur Bildung jener übermäßigen Breite, welche der menschlichen Ge stalt in so manchem Betracht zuwider ist und ehemals jeden Wuchs entstellte; indessen verleiht man dem Frack jetzt die hinlängliche Weite, damit er zwar nicht steif und geschniegelt aussehe, aber nett dem Körper sich füge, diesen leichter und geschmackvoller darstelle. Indessen dürfen wir nicht laugnen, daß die jetzigen breiten Achselstücken, welche weit über das Armgelenke hinablaufen, im Vcrhäliniß zum Körperbau und zu allen Regeln von Körpcrschönhcit völlig widernatürlich erscheinen. Allein dieser Schnitt hat auch andere Nach theile für den Schneider, wie für den Kunden: vor Allem ist dabei eine Menge von Falten und Faltchcn auf der Vorderseite des Armes nur äußerst schwer zu vermeiden; dann entsteht der Uebelstand, daß ein solcher Frack oder Oberrock, wenn er aufgeknöpft getragen wird, bei der übermäßigen Breite der Achselstücke keinen Halt und keinen Stützpunkt an dem Körper selbst findend, frei herumhängt, ohne irgendwo den Körper zu berüh ren und dadurch der ganzen Gestalt ein sehr unanmu- thiges, gewissermaßen schlampiges Aussehn verleiht. Alle diese Unschicklichkeiten hat man mit der Zeit eingeschen und, zur Ehre des gesunden Menschenver standes und des guten Geschmack scy es gesagt, der Schnitt sing allmälig an, wieder leichter und minder fehlerhaft zu werden; man macht die Armlöcher jetzt offener, die Achselstücke kürzer, so, daß nun das Arm- gelenk mehr Freiheit seiner Bewegung gewinnt und das ganze Kleidungsstück in natürlicheres Acrhältniß zu seinem Körper kommt. Bei dem Schnitt der Paletots zeigt sich noch immer mehr Abwechslung und Verschiedenheit als bei allen übrigen Kleidungsstücken. Dicß rührt natürlich daher, weil beinahe jeder Sckneider eine andere und neue Form dafür erfinden will uno weil man in den jüngstvergangenen Monaten vorzüglich dem Gedanken huldigte, den Paletot mehr und mehr von seiner ur sprünglichen Gestalt zu entfernen, d. h. seine Geräu migkeit und Weile in schmalere anliegende Formen zu verwandeln, der natürlichen Form des Körpers ihn mehr anzupassen. Diesen Zweck erreichte man vorzüg lich durch seine breiten Rückcntheile. Bei genauerer Betrachtung des menschlichen Kör pers finden wir in der That, daß die Mehrzahl der Männer gewöhnlich um die Weiche etwas breiter ist, als an ihrem eigentlichen Rücken und über den Hüften eine Vertiefung hat, welche sich beinahe bis unter die Armhöhle verlängert. — Diese natürlichen Umrisse zu verfolgen und möglichst getreu darzustellen, war die ver nünftige Aufgabe aller Schneider bei den ersten Umge staltungen des Paletots. Daß dieß vielen Meistern in hohem Grad gelungen, beweis't nicht sowohl die jetzige allgemeine Beliebtheit dieses Kleidungsstücks, sondern vielmehr die täglich allgemeiner werdende schickliche und zierliche Form desselben, welche ihm alle denkbaren An sprüche verleihen, für immer und für alle Jahreszeiten eine Modekleidung zu bleiben, wenngleich an den Ne bendingen mancherlei Nüancirungen und Veränderun gen vorgenommen werden dürften. Ja, wir werden für den eigentlichen Frühling, für den Sommer und für den Herbst den Paletot als eine Lieblingslracht beibehalten, was auch manche Neue rungssüchtigen dagegen Vorbringen, manche Kurzsichtigen dagegen einwenden mögen. In Betreff der übrigen Kleidungsstücke dürfte jetzt noch kaum etwas Interessantes zu sagen seyn, indem daran so wenig eigentlich Neues zum Vorschein kommt, daß man daran nichts Anderes, als ein fortschreitendes Absterbcn des Winterlichen erkennen kann. Die Soireewesten sind beinahe sammtlich ge stickt, sey es nun auf Sammt oder glattem Satin. Ge wöhnlichere Westen sind zwar auch von Sammt und Sei denstoffen, jedoch nur mit mancherlei Blumenwerk gemustert. 3*