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ver Minne- und Meistersänger, von Ullrich von Hut ten und De. Martin Luther bis zu uns. Für alle unsre Bedürfnisse, Geselligkeitswünsche und Lebenslaunen finden wir dort Vorräthe und Mu ster, nur nicht für den krüppelhasten, unglückseligen, verwünschten Frack, der sich wie ein böser Spuk auch unsers Deutschlands bemächtigt bat und allen Jammer seines jämmerlichen Ursprungs stündlich zur Schau trägt. Für Alles finden wir Muster, woran die moderne Technik ihre Künste in Schnitt und Bearbeitung üben, der Geschmack sich beweisen, der Verstand durch An wendung der modernen Erfordernisse und Benutzung moderner Lehren und Kenntnisse sich zeigen kann. Also, meine Freunde, deutsche Kleider lie fert, wie die Zeit sie braucht und haben will , und bald wird auch alles Volk sie haben wollen und eine rein-deutsche Modczeitung möglich werden! Die Mo- dczeitung kann nur den Anstoß und Winke geben, ihr deutschen Meister allein könnt cS vollbringen, so ver sucht es denn, wollet! Wißt etwa Ihr selbst nicht, wo solche Muster stecken und wie sie allenfalls zu erhalten sind und wie Ihr sie studiren sollt, so findet sich auch in dem klein sten deutschen Städtchen irgend ein Mann, der über dieß Alles Euch Auskunft zu geben vermag; denn an Wisscrn hat Deutschland nie Mangel gehabt und deut sche Bibliotheken und Sammlungen giebt es aller- wärtö. DaS Lesen und Nachschlagen solcher Bücher gewährt eine angenehme Unterhaltung, um so ange nehmer, weil die Bilder dabei überall bei der Hand sind. Vielleicht reift im Jahr 1845 ein eignes Werk zu diesem Behuse heran, worin alles Nötbige gesunden werben kann, ohne daß man noch nöthig hätte, nach ! andern Büchern sich lange nmznsehen. Betrachte ich hiernach unser heutiges Modcbilder- ' blatt, so übcrkommt mich ein seltsames Gefühl von Wchmuth und Abgespanntheit, indem ich hier nur l deutscher Arbeit finde, und diesem Siebentheil übervieß ^ die französische Abstammung überall abznsehen ist. Ich tröste mich : noch sind wir Gefangene, aber jeder neu- , ergrauende Morgen sieht einen Stein des Kerkers, ein Glied der Kette fallen! Und bis dahin wollen die Schneider auch leben und das Publicum will Kleider haben, Mvdekleider, wie man sie an der Seine er funden hat nnd trägt. Unmöglichkeiten gegenüber verstummt der patrio tische Eifer, die Fürsorge für das Technische und Ge- > werbliche tritt wieder in den Vordergrund und pflicht- getreu erscheinen wir.reichbeladen mit Pariser Neuig keiten für Jung und Alt, und sprechen über das Vor liegende so nüchtern und kalt, als gäbe es gar keine deutsche Sehnsucht nach Deutschem. So wird es wohl noch geraume Zeit bleiben, und der Schade ist eigentlich nicht sehr groß; denn technisch haben wir noch Manches zu lernen von un- sern überrheinischen Nachbarn, und das wollen wir denn auch cifrigst und besonnenst thun. Geht viel da von vielleicht nicht mehr in die alten Köpfe und alten Finger, so werden doch dabei die jungen Köpfe sich mehr und mehr an wahres Denken über eine Sache gewöh nen, durch Erlernung wissenschaftlicher Grundsätze eine ganz andere Ansicht von ihrer Kunst gewinnen, und die Finger werden in den verschiedenen Feinheiten der Bearbeitung täglich geübter werdend, endlich wohl die Vorbilder erreichen, damit wir bei folgenden allgemei nen deutschen Gcwerbcausstellungen auch Erzeugnisse der deutschen Schneiderei mit Zuversicht und Stolz betrachten können. Diese natürlichen Wünsche und Aussichten führen uns denn zu einem Punkte, den wir wohl am schick lichsten heute mit einander besprechen, nämlich zu dem so häufig wiederholten Ansuchen mancher der tüchtig sten Meister aus allen Gegenden, „daß wir manche wichtige Dinge aus früheren „Jahrgängen in dem neuen Jahrgange wieder holen mögen, damit auch die neuen Abonnenten „davon Kenntniß erhalten." Eigentlich wäre zwar hierauf die einfachste Ant wort : liebe Meister, kauft die früheren Jahrgänge, so habt ihr Alles in Allem! Da jedoch diese Antwort Vielen unbillig erscheinen dürfte, weil sie zum Ankauf gar vieler, jetzt völlig nutzlos gewordener Nebendinge aufforderte, und da der Schneider sein Geld überall zu Nützlicherem verwenden kann, so wollen wir jene so freundlichen, als wohlgemeinten und schmeichelhaften Bitten auch anders und thatsächlich beantworten, da mit nämlich, daß wir die wichtigsten Aufsätze der Ver gangenheit nach und nach im Laufe dieses Jahrgan ges wiedergeben, besonders jenen Auszug der geome trischen Lehre, auf deren Kenntniß das ganze Verste hen der geometrischen Behandlung des Patronenzeich nens und Zuschneidens beruht und Canneva's An sichten über Schneiderei, weil diese in der Thal stets jung und frisch bleiben. 1