Volltext Seite (XML)
47 48 „Bei Versuchen, eine deutsche Tracht in Aufnahme zu bringen, kann eigentlich nicht von neuen Erfin dungen die Rede seyn. Denn wer konnte wohl ein Kleid ersinnen, dem ähnlich noch nichts dagewesen wäre und das doch der Zeit und den Verhältnissen entspräche, in denen wir leben? Es soll bequem, schön und geschmackvoll seyn, und ist dieß denn nicht dasselbe, was Modejournale und Kleiderkünstler seit vielen Jah ren (wenn auch manchmal auf Irrwegen) immer zu erreichen gestrebt haben, und damit unserm natürlichen Sinne dafür seine jetzige Richtung gaben? Darum ist cs klar, wir dürfen uns nicht zu weit entfernen von ihrer Bahn durch kühne und nutzlose Sprünge in alte Zeiten und uncultivirte Länder, sondern wir soll ten ganz vernünftig und bescheiden, wie schon früher gesagt wurde, den einreihigen Ueberrock zur Grundform nehmen. „Und in der That, dieser läßt sich auf so man cherlei Art durch Schnitt und Bearbeitung formen, daß, wollten nur unsre befähigsten Meister es sich angelegen seyn lassen, bald eine, dem deutschen Geschmack und der deutschen Nationalität entsprechende Form erzielt würde, die unter dem Mitwirken der höheren Stände allmälig in Aufnahme käme und dann, mehr und mehr vervollkommnet, uns der schmachvollen Abhän gigkeit — ganz entziehen würde. — „Die Zeit scheint freilich noch nicht sehr nahe, doch in der Hoffnung, daß sie kommen müsse, lege ich hier den Vorschlag zu einem deutschen Rock in 7 leicht entworfenen Zeichnungen und einem Musterschnitte den geneigten Mitmeistcrn zur Einsicht und Besprechung vor. „Fig. 1 wäre zu einer bequemen Tracht zu wäh len, wo man sich bei Beobachtung des Schicklichen und Anständigen, in einer gewissen Nachlässigkeit ange nehm fühlt. Dieser Rock kann einen etwas breiteren Kragen, als die zwei folgenden, haben, mit 6 Knöpfen zugehalten, und auch dadurch, daß man den Bruch des Kragens höher rückt (ohne sonst eine Aenderung nö- thig zu machen), oben mit Schleife und Knopf ge schlossen werden. Zur Belegung des Kragens mildem Umschläge des Vordertheilö könnte man Sammt wäh len, oder auch sonst ein beliebiges Zeug, am besten, wenn dadurch das Ansehen hervorgebracht würde, als seyen es einfache Umschläge, wodurch man das Futter sehe. Der Kragen muß ganz dünn und ungezwungen an Achsel und Rücken Umfallen, ebenso die Aufschläge an den unten engen, mit 4 Knöpfen versehenen Aermeln. „Den Hinteren Theil des Rocks zeigt die Fig. 2. Durch die geschweifte Seitennaht erhalten die unteren Thcile Raum für zwei kleine Taschen, worüber die Patten gezeichnet sind. Keine Haken amHintertheile, doch offen bis an die Taille, muß natürlich das linke um einige Centimetcr unter das rechte gehen. Das Schoß könnte die Kniee erreichen und reiche Rollfal ten ihn zieren. „Die Form und sorgfältigere Auszierung bestim men Fig. 3 und 4 zum Putzrocke für Gesellschaften und Spaziergänge, wo der Gebildete, dem feinen Gcschmacke huldigend, nie Nachlässigkeit oder Unacht samkeit sehen lassen soll. Der Kragen muß tiefer lie gen, die Brust weiter offen, die Acrmcl kürzer seyn. Die Taschen wären auf dem Vordertheile, wie bezeich net, anzubringen; der Rücken ist etwas kürzer, unten schmal und hat ein kleines Häkchen. Nicht jede Farbe kleidet Jedem gut, darum wähle man mit Geschmack und sorge, daß sic mit der übrigen Kleidung harmo- niren. Durch seine Belegung des Kragens mit dem Umschläge des Vordertheils und der Aufschläge, schöne Knöpfe und Einfassung, wird cS dem tüchtigen Mei ster leicht seyn, den Rock entsprechend zu fertigen. „Nächst diesem Rocke könnte man noch eine etwas veränderte Form für festliche und feierliche Angelegen heiten annehmen, wozu ich Fig. 5 bestimme. Hier sollte mau, dächte ich, die größte Einfachheit mit Ele ganz zu verbinden suchen. Bei einem shawlförmig laufenden Kragen mit einem bis an die Taille um fallenden Vordertheil, wo dieß mit einer Schleife und zwei Knöpfen geschlossen werden könnte, müßte beson dere Acht auf die Formung der Brust und des Schlie- ßens in der Taille verwendet werden. Keine sichtbare Taschen, keine Aufschläge, seidene Kragen und Fütte rung, dunkles Tuch; ertrasein gearbeitete Knöpfe, wo 4 große und 4 kleine nöthig sind. Dieß wäre, was ich für diesen Rock anzndemcn hätte. „In Fig. 6 und 7 stelle ich einen Winterrock dar, er ist zum Zuknöpfen bis oben; man gebe ihm Pelzkragen und Ausschläge und verziere ihn auf die bezeichnet oder ähnliche Art. „In Hinsicht auf Farbe sollte man sich (nur bei Fig. 5) nie an besondere oder gar dunkle halten, dar über könnte billig immer der eigne Geschmack oder der