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37 38 braucht und daun wieder schonungslos bei Seite wirst, so hassen sie gewöhnlich die Arbeit und betrachten ih ren Stand nur als eine harte von der Noth und von der Gewalt ihnen ausgcdrungcne Bürde, Haschen nach dem Augenblick, wo cs ihnen möglich wird, selbst Ge setze zu machen und gleichen in Allem Arbeitern ohne Muth, ohne Trost, ohne Freude, ohne Liebe: an der Scholle klebenden Leibeigenen, die das sie fesselnde Ge werbe und den sie verachtenden Meister gleich verwün schen. Dieser unglückselige Zustand der Meister wie der Gesellen ist ein ohne Uebertreibung wahrer und unter ähnlichen Verhältnissen auch leider unabänder licher. Sollten aber alle diese Verhältnisse selbst in der That unabänderlich scyn? Sollte man kein Mittel zur Abhülfc finden, keinen Trost und keine Aussicht auf Besserung haben können? Hören wir wenigstens darüber die Stimme eines tüchtigen Gelehrten, der zu gleich als Welt- und Menschenkenner anerkannt ist. Herr Rossi sagte in der Sitzung der Akademie der moralischen und politischen Wissenschaften in seiner Abhandlung über den Arbeitslohn am 17. Januar 1838: „Gewöhnlich macht man sich einen falschen Be griff von dem Arbeitslohn, indem man ihn nur als den Preis für die Arbeit eines Tages betrachtet. Der Arbeitslohn ist ein Glücksvertrag auf die Arbeit der Production, und der Arbeiter verlangt ihn nur darum täglich, weil er auf diesen Ertrag nicht warten kann; deßhalb allein geschieht es auch, daß er sich so harte Bedingungen gefallen läßt. Allein seine Arbeit ist ihrer Natur nach ein integrirender Theil des Gesamm - geschästö der Production und sollte daher eigentlich verhältnißmäßig auch nach dem allgemeinen Ertrage derselben billigerweise ermessen werden. Dieß ist auch seit geraumer Zeit bei einigen Industriezweigen in der That der Fall; ich erwähne dafür nur des Verhält nisses der Meier bei der Landwirlhschast und der See leute bei'm Fischfang im Großen." Freilich anerkennt Herr Rossi die unendlichen Schwierigkeiten einer Anwendung dieses Grundsatzes ans die Manufacturindustrie, und erklärt sich darüber sehr deutlich, indem er sagt: „Alle Manufactur-Jndustrie ist eine wahre Vergesellschaftung für Arbeit, wobei! die Arbeiter den Grundsatz tief empfinden und ancr- j ' kennen müssen: daß ihr Hauptinteresse lediglich in I guter Aufführung, vernünftigem Haushalt und edler Sparsamkeit bestehen müsse, indem sie dadurch allein ihren billigen Anrheil an der allgemeinen Belohnung der Industrie sich erwerben können, andern Falls aber stets genöthigt bleiben werden, mit ihrem kleinen Tag lohn sich zu begnügen." Auch ich bin vollkommen dieser Ansicht des Hrn. Rossi, und glaube, nach ihm bemerken zu dürfen, daß ein besserer Zustand aller mit der Industrie Be schäftigten erst dann beginnen wird, wenn industrielle Anstalten auftreten, wobei der Arbeiter selbst wesent lich intcrcssirt ist, und zwar nicht nur wegen eines kümmerlichen Taglohns allein, sondern wegen bil liger Aussichten für die Zukunft und wesentlicher Ver schönerung seiner Gegenwart. Aber einem bessern Herzen genügt das Geld nicht allein: eine gewisse Billigkeit, verbunden mit freund licher Rücksicht, würdevoller Achtung seiner Persönlich keit und seiner Verhältnisse, ein steter Beweis der Anerkennung allgemeiner Brüderlichkeit, ein liebevolles Entgegenkommen des Vorgesetzten oder Meisters, hat weit höher« und reellen Werth, und dieses ist es leider, was in solchen Verhältnissen und bei so mühe voll erworbenem Lohne fast überall verweigert wird. Zurücksetzung, abstoßendes Betragen und Verachtung sind nicht die geeigneten Mittel, dem Untergebenen und dem Handarbeiter höhere Begriffe von seinem Berufe, von seinen Pflichten und von der Noth- wendigkeit der Selbstbildung beizubringcn. So lange der Arbeiter zurückgestoßen und gewissermaßen verach tet wird, ist an dessen eigene Bildung, an sein edle res Streben nicht zu denken und daher auch keine Hoffnung, daß seine unglückselig feindliche Stimmung gegen die übrige Welt sich mildern, besänftigen und zur reinen Anerkennung der natürlichen Verhältnisse der Menschheit erheben werde. Der Mensch muß durch das Benehmen aller übrigen Klassen überzeugt werden, daß jede Arbeit etwas Ehrenvolles ist, daß Arbeitsamkeit Ehre bnngt, dann wird er gewiß auch seinem Stande stets Ehre machen und darin sich nie mals unglücklich fühlen. Gar viele Meister unserer Tage und neben die- scn auch gar viele andere gebildete Leute, betrachten den Handwerksgesellen und den gewöhnlichen Arbci-