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197 198 Mit der Herrschaft der Gothen in Rom wurden natürlich die Beinkleider eigentliche imd allgemeine Tracht und sie sind seitdem eben so sehr ein uuveräu- sierliches Pertinenzstück der Kleiderdecenz geworden, als sie vorher ungehörig, ja lächerlich schienen. Gothisch ganz eigentlich war dann die Heroentracht des Mittel alters, welche den ganzen Leib mit Leder, nämlich mit ledernem AcrmelwammS und ledernen, enganschließen den, den ganzen Fuß umkleidenden Beinkleidern be deckte, wie wir aus Dante wissen. Die engen Bein kleider waren eben das Zeichen germanischer Edelbur- tigkeit. Jndeß ist nicht zu zweifeln, daß man auch im Westen frühzeitig gewebte Beinkleider getragen hat. Bereits im sechsten Jahrhundert gingen die Franken thcilö in ledernen, theils in leinenen. Die auS Lin nen oder Wolle gemachten Beinkleider wurden nach Analogie der ledernen genäht: sie kamen nicht in ihrer, den Beinen angemessene» Gestalt vom Webstnble, son dern waren ein Product des Schneiders, welcher noch bis in das scchszehnte Jahrhundert hinein, wenigstens in Deutschland und England, auch die Strümpfe, und zwar aus Tuch, verfertigte. Wann sich Hose und Strumpf geschieden haben, d. h. die erstere, statt den ganzen Schenkel mit Wade und Fuß zu decken, in der Mitte gcthcilt worden sey, ist nicht genau zu ermitteln; cs scheint indeß vcrhält- nißmäßig spät und nicht vor dem fünfzehnten Jahrhun dert geschehen zu sepn. Die Benennung Strumpf bezeichnet eben ein abgebrochenes, abgestutztes Stück und deutet auf den Akt der Trennung eines Ganzen genau hin. Die Franzosen, indem sie von nun an das Beinkleid als baut <Io clmusso, den Strumpf als bu8 elo cl>rru88v, nachher als l)U8 schlechtbin umschrie ben, hatten ebenfalls die ursprüngliche Zusammengehö rigkeit im Auge. Das Wort el,a»88o aber, das lateinische calocLluia, woraus zunächst cl,au88uro, hat eine ans der alten Volkssprache nachtönende allge meine Bedeutung für Alles und Jedes, womit eben zuvörderst der untere Fust, ja die Ferse (cslx), von da aus aber das ganze Bein bedeckt wird. Die Idee des Strumpfes lag eigentlich sehr nahe in den ledernen und ehernen Beinschienen, womit man von Uraltcrs her Schienbein und Wade gegen Ver letzungen, namentlich schon bei Jagd und Feldarbeit gegen stechendes Gesträuch, desgleichen gegen den Biß der Schlangen und die Krallen der Raubthiere, haupt sächlich aber im Kriege gegen die Streiche der feindli chen Waffen zu schützen suchte. Bereits der schon oben angeführte Homerische Laertcs trägt an den Schien beinen genähte rindsledcrne Kamaschen gegen die Dornen, natürlich von den Knöcheln bis an die Knie reichend, was genau jene brannlcdernen hohen Kamaschen find, die noch jetzt in Italien Hirten, Jäger, Land lente, desgleichen Maulthiertreiber, Lazzaroni und Bravi, nicht minder dieselben Mcnschenklassen in Spanien und Portugal tragen; nur daß wir bei jenen noch nichts von Knöpfen und Schnallen erfahren, sondern diesel ben einfach umgebunden find. Eben derselbe alte Herr hat, zum Schutze gegen Dornen, Handschuhe an den Händen, die ohne Zweifel ebenfalls ans Leder gemacht waren, in so früher Zeit aber allerdings auffallend sind. Man würde sich indessen überhaupt täuschen, wenn man voraussetzte, die Akten hätten des sogenannten ComfortS in ihrem Hansleben ermangelt. Sie haben vielmehr den Sinn dafür viel ausgedehnter und raffi- nirter besessen, alö die heutige Welt, und selbst Völker, denen man dieß wegen sonstiger Schlafsucht und Un- rcgfamkeit des geistigen Lebens nicht Zutrauen sollte, z. B. die Egypter und ihre Geistesbrüder, die Etrusker, haben darin eine Umständlichkeit und Breite entfaltet, die man nicht einmal immer bei den heutigen Vätern des Comforts, den Engländern, finden dürfte. Na mentlich in Futteralen aller Art und für alle möglichen Gegenstände war dieser Comfort höchst ausführlich. Die Perser hatten selbst Handschuhe mit Fingern, was von denen deö Lacrtes wohl kaum vorauszusetzen ist, die vielmehr bloße Pelzhüllen um die Hand werden gewesen seyn. — Jene Jagdkamaschen nun brauchte man also nur über den Fuß zu verlängern, um einen Strumpf zu erhalten. Zunächst aber war es wünschens wert!), ein den Füßen angenehmeres Material als Tuch zu Hülfe zu nehmen, und dieses Material hatte man in der Seide. Seidene Strümpfe hatten zuerst die Mailänder und die Spanier. Ob diese ursprünglich auch ans seidenem Tuche genäht, oder gleich gewebt waren, wann sie überhaupt zuerst gemacht, wann die gewebten Strüm pfe durch gestrickte ersetzt worden, darüber kommt man zu keiner genügenden Aufklärung. In England läßt noch im Jahr k558Doctor Sands, zuletzt Erzbischo von Uork, einen Schneider rufen, um sich ein Paar Strümpfe machen zu lassen, und dieser nahm dazu die Maße. Es wird aber bemerkt und ist leicht zu erklä-