Volltext Seite (XML)
177 178 mit sich, aber sie brauchen sie lediglich als Neberwurf ihrer eigentlichen Kleider, die bereits aus Wolle gewebt, ja längst schon mit Sorgfalt und zierlich bereitet sind. Agamemnon, als er in jener schlaflosen Nacht, da ihn die nahen Wachtfeuer der Trojaner und >hr übermü- thiger Kriegslärm unter Mölen- und Pfeifcngelön be ängstigen, vom Lager aufsteht, um den treuen Rathge ber Nestor aufzusuchen, legt erst den Leibrvck an und bindet die Schuhe unter, dann hüllt er sich in die ge waltige Löwenhaut, welche ihm bis zu den Knöcheln hcr- abreicht, und ergreift die Lanze als Wanverftab. Nur Diomedes, in Allem wilder und rauher von Art, von seinem Vater TydeuS her, der in das borstige Fell des kalydomschen Ebers gekleidet durch die Welt zog, und den noch Dante damit straft, daß er seines Todfein des Schädel in Ewigkeit nagen muß, weil ihn die Wuth, zum Tode getroffen zu seyn, getrieben hatte, in des erlegten Gegners Schopf mit grimmigen Zäh nen zu beißen — nur Diomedes nimmt, aus dem Schlummer gerissen, bloß die Löwenhaut und den Speer. Mcnelaus trägt im Kampfe ein Parderfell, aber ebenfalls über der Kleidung. Und im gesamm- ten griechischen und römischen Alterthum finden wir hiernächst eine so entschiedene und förmliche Abneigung wider die Bekleidung des menschlichen Körpers mit Thiersell und Pelzwcrk, daß äußerten Schuhen, die für Männer und Frauen durchweg von Leder sind, vor dem zweiten Jahrhundert nach Christus kein grie chischer oder römischer freier Mann dergleichen getra gen hat. Das Tragen der Wildhäute soll zu einer schimpf lichen Völkerbezcichnung Anlaß gegeben haben. Ein Stamm der Lokrer, welcher die rauhen Waldgegenden auf der Südwestseite des Parnaffus bewohnte, führte schlechtweg den Namen die Stink er. Unter vielen Ursachen, die man für diese Anzüglichkeit angab, war auch die, dieses Volk habe keine Kleider zu weben verstanden und deßhalb allgemein mit der Haarseite nach außen gekehrtes Rauch - ober Pelzwerk von wil den Thieren getragen; dieß habe der Nation einen specifischen Geruch mitgetheilt. Andere bezogen diesen Umstand darauf, daß im Lande dieser Leute viel Sil- phion, was eine Art usa foeUlla ist, wuchs; offenbar wahrscheinlicher für die Zeiten, wo doch auch dieses Volk gewebte Kleider getragen haben muß. Auch -in der Bibel ist von Pelzwerk wenig die Rede und bereits bei den Erzvätern muß gewebte Woll- kleidung vorausgesetzt werden. Denn bloß Esau klei det sich in Felle und zwar in Felle seiner Ziegenböcke, obgleich er zugleich ein Jäger und ein Ackersmann ist. Er bereitet seinem Vater ein Essen aus Wildpret, aber , er trägt nicht dieHäule seiner Jagdthiere; unv Rebekka, um dem Weißkäufer Jakob den Segen der Erstgeburt zuzuwenden, bereitet nicht nur das Essen aus Ziegen fleisch auf Wildpretart, wie eS unsere Hausfrauen noch je zuweilen mit einem ehrlichen Hammelbraten machen, sondern sie thut auch dem Lieblinge bloß Pelzhandschuhe ! aus Bockhaut an, damit er das Rauhe oder Rauche ; seines Bruders uachahme. Ziegen-, Bocks- und Schaf- - felle aber sind seit grauen Zeiten die auszeichnende i Hirtentracht des griechischen und römischen Urlebens, wie seiner späteren Tage, und wir sehen auf unserer Lüneburger Haide, wie in den Thüringer Waldthä- lern, diese Mcnschenklasse noch auf dieselbe Weise an- gethan, wie einst in den Windungen des Oeta oder (und da ebenfalls noch heute) auf den sonneverbrann ten Höhen des Apennin. Dabei ist das Characteri- stische, daß in allen diesen so verschiedenen Gegenden und bei der Glut des Sommers, wie bei dem Eise des Winters, die Haar- und Wollfette mit ihrer con- densirten Wärme nach Innen, ja auf bloßem Leibe ge tragen wird, die auf dem Fleische gelegene dagegen mit dem unappetitlichen Anblicke, den ungegerbte Haut ge währt, nach Außen gekehrt bleibt. Bei den Griechen war die Hirtentracht Standes- und Kastcnabzeichen der Leibeigenschaft, und sie durfte, vermöge staatsrechtlicher Satzungen, nicht willkührlich geändert werben. Sie dient daher überhaupt als Sym bol vormaliger wilde» und wenig umgänglichen Zu stände, auch sind allerhand erniedrigende Spottnamen auf die Träger dieser Kleidung im Gebrauche gewesen, welche den Uebermuth der sich für etwas Besseres hal tenden, in weichen und feinen Wollgewändcrn einher- I gehenden adeligen Herren bezeichnen. Das gebildete, zur Weltherrschaft fortgeschrittene, ! Rom dachte sich seinen ältesten Senat, in Zicgenfelle ! gehüllt, auf einer Wiese auf den Ruf eines Kuhhorns ! zusammenkommend, um die Armseligkeit dieser frü hesten Zustände und Beschäftigung seiner Gründer ^ mit Viehzucht und Landarbeit zu bezeichnen. Zum j Anvcnken an jene frugale Vorzeit gürteten sich an ! den Luperkal ien, einem uralten, dem die Wölfe von den Heerden abwehrenden Hirtengotte Pan ge-