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79 80 Diese lief alsogleich zu dem Licentiaten Bao, und sagte ihm, daß der Baccalaureus Pong entschlossen wäre, seine Gemahlin zu verkaufen. Uao war dar über höchlich entzückt und fragte nach der Kaufsumme. Frau Wang antwortete, daß er nicht mehr als 100 Unzen Silber (d. i. 750 Franken) verlangte. Pao zahlte ihr auf der Stelle die 100 Unzen aus und fügte noch 10 Unzen bei, als Douceur für ihre Bemühung. „Mein Herr," fragte Wang, „wohin führt Sie Ihr Beruf, in welcher Provinz ist die Ihnen zufal lende Amtswürde?" Pao antwortete: „Die Regierung hat mich zum Präfect von Tschin-Lieu ernannt." Jene entgegnete: „Herr Pong hat mir gesagt, er wolle Euch zur Stunde, wo Ihr Euch mit Eurem Gepäcke einschiffen werdet, seine Frau in einem Trag sessel zuschicken." „Ich reise sogleich ab," versetzte Yao, „und ich werde Hiu auf der Bai von Tschang auf dem Schiffe erwarten." Frau Wang rief Sesseltrager herbei und kehrte zu Frau Hiu zurück. „Meine Liebste!" sprach sie zu ihr, „Euer Mann ist auf das Eifrigste beschäftigt in der Schreibstube Seiner Hoheit des Mandarin Li, der ihn auf langer gedungen hat, und wo er sich recht glücklich befindet. Er hat eben Sänftenträger hcrge- schickt, um Euch abholen zu lassen, daß Ihr fürder bei ihm wohnen sollet." Frau Hiu packte ihre Sachen zusammen und stieg in die Sänfte. Frau Wang gab ihr das Geleite und führte die Träger zu dem Schiffe, welches segelfertig in der Bucht von Tschang lag. Als Frau Hiu aus- stieg, erkannte sie, daß das ein Schiff des Mandarin sep, der sie erwartete. „Wie doch," sprach sie zu Frau Wang, „mein Mann ließ mich abholen, daß ich bei ihm im Obser vatorium wohnen solle; warum hat man mich denn hieher gebracht?" „Meine Liebe," antwortete Jene, „ich muß Euch jetzt die Wahrheit sagen, Herr Pong befindet sich eben in der äußersten Bedrängniß und ist um Euch für die Zukunft auf das Tiefste bekümmert, daher hat er Euch diesem edlen Herrn, der jetzt Präfect von Tschien-Lieu ist, abgetreten, daß Ihr künftig dessen Gattin seyn sol let. Dieser vornehme Staatsbeamte ist noch unver- chlicht und wird Euch als seine Gemahlin des ersten Ranges behandeln. Könnte man wohl einem glückli cheren Loose entgcgcngehen? Hier ist der Contract, durch welchen Euch Herr Pong einem andern Gemahl für 100 Unzen Silber cedirt hat. Seht selbst, ob ich wahr spreche." Frau Hiu hatte nicht Kraft und Muth genug, einen Blick in den vorgcwandten Cessionsvertrag zu werfen; sie neigte ihr Haupt tief zur Erde, und sprach nicht ein Wort. Sonach fügte sie sich schweigend in die Nothwendigkcit und folgte dem Präfect Uao in die Stadt, wo er seine neue Amtswürde anzutreten hatte. Nach Verlauf eines Monats kehrte der Bacca laureus Pong in seine alte Herberge zurück, und als er seine Gattin nirgends sah, fragte er Frau Wang, wo Hiu-Tschi hingegangen sey? Frau Wang beklagte sich sehr empfindlich über die Ungerechtigkeit des Verdachtes, welchen jener ge schöpft und gezeigt hatte, und fuhr fort: „Ihr wer det es gar wohl wissen, daß Ihr vor einiger Zeit Sänftenträger geschickt und Eure Gemahlin zu Euch berufen habt. Heute gebt Ihr vor, sie gar nicht ge sehen zu haben, und thut das nur, um mich meine Miethe verlieren zu machen; allein ich will unverzüg lich die Soldaten des Gerichtshofes holen, und mich Eurer Person wie der schuldigen Bezahlung ver sichern." Jng-Fong sah sich gezwungen, zum bösen Spiel gute Miene zu machen, und nachdem er Frau Wang mit einigen Münzen und bittfälligen Worten begütigt hatte, zog er sich zurück und hing seinem tiefen Kum mer und Schmerze nach. tFortsetzung folgt.) (Modebilder 23 —27. — Patronen 23—28. ) r >