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45 46 cs eigens gefertigt worden, so genau an- passen, daß es die Unvoll kommcn heiten die- sesKörpers möglichst verbergeund ihnmög- lichst vorth eilhaft und schön darstelle." „Dieser Umerschicd in den Ansichten und Forde rungen der Zeit mußte wohl mit der Zelt auch eine andere Lehr- und Lern-Methode herdeisühren; den Schneider auf Dinge und Kennmisse aufmerksam ma chen, deren Vorhandenseyn er sich früher kaum träu men ließ; sogar seine Blicke auf das Gebiet der ernsten Wissenschaft richten, um Nach und Hülfe zu suchen und ihm die Weisung crlheilen, dem Zeitgeist, von dem er selbst Besserung seiner Zustände, Wohlhabenheit rc. erwartete und forderte, durch Nachdenken, Studium und Streben zu huldigen." „So kam es denn, daß die Schneiderei, welche bis dahin stets nur handwerksmäßig und praktisch von Hand zu Hand und von Mund zu Mund erlernt worden, der schriftlichen Unterweisung nun bedurfte, nach Lehrbüchern sich umsah, um die Theorie sich mehr und mehr bekümmerte rc." Nach einigen historischen Erörterungen über den eigentlichen Act der Umgestaltung des Schneidcrwesens durch allmählige Einführung französischer und engli scher theoretischer Modejournale und technischer Untere ich ls bücher, fährt er Seite XII. also fort: „Bon dieser Zeit an erhielten wir viele Lehrbü cher, von tüchtigen deutschen Meistern verfaßt, sowohl über das Ganze der Schneiderkunst, als über einzelne wichtige Theile derselben. Die besten dürften die von dem Denker Ritzent Haler und das von Heyder seyn. Aber Nitzenthaler schrieb mitunter zu ge lehrt, forderte zu viel, verstand es nicht vollkommen, zu dem einfachen Handwerker sich herabzulasscn und ließ seine Bücher für den armem Schneider viel zu thcuer verkaufen. Heyder dagegen, welcher sich bald zu einem Liebling in mehreren großen Auflagen em porschwang, scheint namentlich darin wieder zu viel der Gewöhnlichkeit nachgcgebcn zu haben, daß er, trotz seines Strebcns und Eifers für alle Vervollkommnun gen in der Kunst, dennoch dem Alken, ja sogar dem irrigen Schlendrian sich gefällig zeigte, neben seiner, auch von mir hier wörtlich benutzten, geometrischen Lehre, für die Beibehaltung der veralteten und höchst unzuverlässigen Nctzmelhoden rc. arbeitete." „Willman bessern und fördern, so muß man neuern soliden Grundsätzen nicht die alten Gebräuche und Jrrthümer gefällig beimengen, weil der Lehrling dann gewiß mehr zu diesen sich neigen wird, indem er sie, leider, noch immer in seiner Praxis, in Lebendigkeit findet, also leicht veranlaßt wird, sie für geeigneter zu halten, auf je den Fall sie leichter und ohne vielKopsbre- chens lernt. Aber gerade gegen solche menschliche oder vielmehr unmenschliche Geistesfaulheit und Her kommensbequemlichkeit muß man ankämpfen und die Geistesthätigkeit — das Denken und Streben auf alle Weise anzurcgen trachten. Denn wer nicht denkt, nicht denkend strebt, der ist kein ächter Meister und wenn er auch hundert Meisterbriefe von allen Zünften und Potentaten in der Tasche trüge rc." Wir sehen hieraus, daß wir es mit einem Manne zu thun haben, der nicht nur das Ganze seiner Kunst an sich und in Beziehung zu den Fortschritten der Zeit scharf ins Auge gefaßt hat, sondern auch Kraft und Willen äußert, für die bessere Ueberzeugung offen zu leben und zu kämpfen. Wir sehen auch, daß er trotz der dankbaren Ver ehrung für die Meister, von denen er selbst viel gelernt zu haben bekennt, dennoch keinen Augenblick ansteht, deren Jrrthümer und Mängel zu erklären. Hat der Verfasser der von ihm selbst gestellten und keineswegs sehr leichten Aufgabe sich gewachsen gezeigt; hat er den Erwartungen mit diesem Buch der Lehre und der Beispiele entsprochen? Mit wahrem Vergnügen bekenne ich, daß kcins von den vielen vorhandenen Lehrbüchern alle Haupt materien so gedrängt und anschaulich und folgerecht zusammengestellt hat, keines gründlicher seine theoreti schen Sätze entwickelt und abhandelt, keines dabei so populär und einfach zu Werke geht, ohne je den Ver stand mit nutzlosen Dingen zu belasten, dem Gedächt nis; Allzuschwieriges zuzumukhen oder Kenntnisse dabei vorauszusetzen, welche der Natur der Dinge gemäß für diesen Stand nirgends gesucht und gefordert werden. Ja dieses Buch ist so folgerecht und klar geschrie ben, daß auch ein der Schneiderei ganz Fremder dar aus mit Leichtigkeit alle Hauptgrundzüge der Kunst