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29 Ein Wort über das Bügeln (Biegeln) oder Plätten bei der Schneiderei s). Zum Biegeln braucht man ein heißes Biegeleisen, daß aber weder brennt oder sengt, welches jedem Schnei der wohl bekannt seyn wird. 1) Wollenzeug und Tuch glatt zu biegeln. Dieses muß vorher etwas angefeuchtet, alsdann von beiden Seiten gehörig gebiegelt werden, aber auf einem vollkommen ebenen und glatten Lisch, indem man sonst nicht alle Stellen mit dem Eisen gehö rig trifft. 2) Nahte auszubiegeln. Bei Wollenzeug oder Tuch muß man das Bie geleisen so lange auf einer Stelle stehen lassen, bis die Feuchtigkeit unter dem Tuch auf dem Biegelbret ziem lich von der Hitze verzehrt ist. Dadurch werden die Nähte ordentlich glatt. Lediglich mit schnellem Ueber- sahrcn, Aufdiücken oder Klopfen wird kein Schneider viel ausrichten und niemals glatte Arbeit zu Stande bringen. *) Keinem Meister nehme ich es im geringsten übel, wenn er dieses Kapitel mißmuthig überschlägt und dabei dem Gedanke» Worte gibt: „schreibt der Mensch über das Geschäft unsrer Kunst noch jetzt ein langes Kapitel, nach dem jeder Geselle solches schon im ersten Jahr seiner Wan derschaft vollkommen inne hatte." Wie gesagt, ich nehme das Nichtlesen keinem Meister übel, aber dagegen nehme auch mir keiner übel, daß ich über diesen allbekannten Ge genstand einige Winke zu ertheilen mich erkühne, wie solche die Praxis bei den anerkannt vortrefflichsten Meistern und eigne Ueberzeugung sie mir an die Hand gegeben, und weil jeder männiglich sich noch leicht und schnell davon überzeuge» kann, wie verschiedene Manipulationen in verschiedenen Werkstätten dabei im Gebrauche sind. Aber wo eine sehr einfache Ver richtung noch sehr verschiedenartig getrieben wird und sehr verschiedener Hülfen bedarf, da liegt der Beweis vor, daß noch nicht Alle über Alles dabei vollkommen im Klaren sind. Wo nicht Alle im Klaren sind, scheint es mir erlaubt, durch Nachdenken und Darlegung des Ersonnenen nach dieser voll- kommnen Klarheit zu streben. Ich beginne dabei mit dem Abc, weil auf diese Weise alles anschaulicher wird und Eines aus dem Andern sich leich ter ergibt, und übergehe natürlich mit Stillschweigen den allbekannten Hauptgrundsatz: „Zum Biegeln bedarf man eines heißen Biegeleisens, welches jedoch nicht so heiß seyn darf, daß cs brennen oder nur versengen könnte." 30 Z) Wattirung an Klappen und Kragen zu biegeln. Sobald Wattirungen gehörig abgenaht sind, so feuchtet man sie mit einem nassen Schwamm an; hier auf beginnt man zu biegeln, aber nicht auf der Seite, wo man genaht hat, sondern immer gegen den Stich, d. h. auf der Seite, wo man aufgehört hat zu nähen. Auch hierbei laßt man das Biegeleisen auf jeder Stelle so lange stehen, bis die Feuchtigkeit unter dem Tuch auf dem Biegelbret durch die Hitze ganz verzehrt ist. Aber hierbei ist wohl zu beachten, daß diese Theile gebiegelt werden müssen, bevor man das Borlegeband einsetzt. Alles spatere Biegeln gehört zu den, leider noch hin und wieder üblichen Mißbrauchen und hilft in der Regel wenig oder gar nicht. 4) Das Vorbiegeln oder Einbiegeln. Will man etwas vorbiegeln oder einbiegeln, so muß man die Stelle mit einem nassen Schwamm gehörig anfeuchtcn, aber ja nicht zu naß machen. Als dann vertheilt man die Bölligung gehörig unter dem Biegeleisen und läßt dieses nun so lange stehen, bis die ganze Feuchtigkeit unter dem Tuch auf dem Bie gelbret durch die Hitze verzehrt ist. Durch eine voll ständige und genaue Befolgung dieser so einfachen und natürlichen Lehre, verschwindet die sogenannte Bölli gung gänzlich und für immer. 5) Das Abbiegeln. Hat man ein Kleid fertig, so muß es gehörig glatt oder abgebiegelt werden. Hierzu bedient man sich entweder eines Sammt-, Seiden- oder ganz fei nen Baumwollen-Lappens, indem man diesen auf das zum Biegeln vorbereitete Lheil legt und ihn mit dem nassen Schwamm etwas anfeuchtet, dann das heiße Biegeleisen darauf setzt und so lange stehen laßt , bis die Feuchtigkeit unter dem Tuch auf dem Biegelbret durch die Hitze ganz verzehrt ist. Sollte hiernach das Tuch auf seiner untern Seite noch nicht glatt genug seyn, so wendet man cs um und wiederholt die obige Operation. Alles in so manchen Werkstätten leider noch im mer herkömmliche Klopfen, Pochen, Hin - und Herfah ren, Reiben rc. gehört zum Schlendrian, Hilst gar we nig und wird niemals ein Stück Tuch vollkommen glatten.