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155 156 konnten sich ihrer nicht erwehren. Des Nachts, wo wir in der Kajüte beim Kapitän schliefen, ging's et was besser. Nur die Juden, die auch hier, wie überall, den untersten Rang cinnehmen und sich durch Zudring lichkeit, Unreinlichkeit und Knoblauchsgcruch auszeichne ten, blieben auf dem Verdeck ihnen preisgegeben. Stie gen wir aus und wollten ein wenig ans Land gehen, so kamen gleich die russischen Soldaten mit aufgehobe nem Gewehr herangelausen und trieben uns zurück, denn sie hielten sehr streng auf die Quarantäne. So fuhren wir acht Tage zwischen den niedrigen Schilfufern fort, zuletzt wie in einem weiten, grünen Meer von wogendem Schilf. Hunderte von Schiffen zogen in demselben umher und an uns vorüber. End lich kamen wir an die Sulinamündung, wo die Do nau sich ins schwarze Meer ergießt. Die Ausfahrt in dasselbe ist schwierig, denn die Donau wirv hier wie der sehr enge und seicht und zu beiden Seiten wird von der Donau und dem Meere Sand ausgeworfen. Es ist nur eine schmale Stelle, wo man hinausfahrcn kann. Die Schiffe werden von den dort liegenden rus sischen Secsoldaten hinausgezogen und die Kapitäne müssen dafür bezahlen. Nach einem vier und zwanzigstündigen Aufenthalt wurden wir und mit uns noch zwölf andere Schiffe, die hier vor Anker Ingen, durchgczogen, und wir waren im schwarzen Meere. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben auf der See, was ich mir so lange gewünscht halte. Vor mir breitete sich eine unabsehbare Wasserflut!) aus. Im Anfänge, wehl gegen drei bis fünf Meilen, hatte das Meer die lichtgelbc Farbe der Donau. Nach und nach verlor sich dieselbe aber und es wurde schwarzgrün oder dunkelblau. Der Name des schwarzen Meeres soll nicht sowohl von seiner Farbe hcrrührcn, obgleich es bedeutend schwarzer ist, als das mittelländische, sondern weil es im Herbste und Frühjahre wegen der vielen Stürme sehr gefährlich ist. Unweit der Anfangs fla chen Küste sind häufig Felsen, an welche bei großen Stürmen die Schiffe geschleudert werden und ohne Wei teres gänzlich zu Grunde gehen. Es sollen bisweilen in einem Jahre hundert scheitern und ihren Untergang senden. — Schon au» der Donau, die zuletzt einem kleinen Sce gleicht, hatten wir Stürme kennen gelernt und einen kleinen Vorgeschmack von einer Meerfahrt bekommen, aber hier auf dem Meere selbst ging cs noch anders. Je weiter wir hineinkamen, desto unru higer wurde es. Die Wellen brachen sich schäumend am Schiffe und singen von allen Seiten an, auf das Verdeck zu schlagen. Doch war die See übrigens ru hig, der Himmel klar und cs kam weiter kein Sturm. Ein ziemlicher Viertelwind trieb das Schiff gelinde vor wärts. Nach sechsstündiger Fahrt sahen wir, so weit das Auge reichte, nichts als Himmel und Wasser. Unserer Jüdin sing es bald an, nicht recht zu behagen. Sie wurde von dem vielen Wanken des Schiffes unwohl, bekam ein Erbrechen oder die sogenannte Seekrankheit, und stellte sich, als wenn sie sterben wollte. Sie wünschte sich lieber auf dem Lande zu seyn, als auf dem Meere. Wir Andern hielten uns so ziemlich ausrecht, und wer besonders in seinem Elemente war, das war ich. Ich stellte mich vorn an die Spitze des Schiffes, und sah zu, wie cs durch die Wellen arbeitete, herauf und her unter fuhr. Wie ein Pfeil durchpflügte es die beweg ten Wogen. Dies Schauspiel amüsitte mich sehr, ich rauchte meine Pfeife Tabak dabei und nahm zuweilen einen guten Schluck von meinem mitgenommenen Rum. Auch sah ich mit Vergnügen, wie die Delphine dicht um das Schiff in den Wellen spielten. Schnaubend sprangen sie in die Höhe und schossen dann pfeilschnell hinab. Es sind Fische von 8—10 Fuß Länge, mit einem Schweinerüssel. Genau kann man sie nicht be trachten, so schnell tauchen sie auf und nieder. Man trifft sie besonders häufig im schwarzen Meere. Sie halten sich gewöhnlich in der Nahe der Schice auf, weil man ihnen meist etwas Nahrung zuzuwcrfen pflegt. Niemand thut ihnen etwas zu Leide und besonders die Türken nicht. Sie halten sie so, wie wir die Schwalben. Bald hatten wir die andern Schiffe, die mit uns zugleich aus der Donaumündung fuhren, aus dem Ge sichte verloren. Nur zuweilen sahen wir noch in der Ferne einzelne Mastbäume wie Thurmspitzen auftau chen. Am zweiten Tage waren sie alle wieder in un- ^ serer Nähe. Später aber verschwanden sie von Neuem aus unserm Gesichtskreise. So fuhren wir sechs Lage bei etwas schwachem Winde umher, als wir am Sonn tage in der Dämmerung ein schönes Vorgebirge mit einer alten Ruine und kurz darauf die Mündung des Bosporus erblickten, wo die schwarzen Wogen c r See sich mit lautem Getöse und starker Strömung die enge Oeffnung des sechs Stunden langen Canals