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Betrachtungen über die rationelle Behandlung der Flüsse. 15 Betrachtungen über die rationelle Behandlung der Mitgetheilt von einem bayerischen Ingenieur. I. Artikel. Unter den so sehr verschiedenartigen Aufgaben, welche von dem Bautechniker zn lösen sind, erscheinen diejenigen als mit ganz besonderen Schwierigkeiten verbunden, bei denen das Wasser eine Rolle zu spielen hat. Es ist die große Beweglichkeit dieses flüssigen Körpers, seine Fähigkeit, die kleinsten Zwischenräume anderer Stoffe zu durchdringen, seine äußerst geringe Cohäsion, welche nicht nur bei allen Wasserbauten mehr oder weniger große Schwierigkeiten verursachen, sondern auch dem Architekten bei Dachungen, bei der Abhaltung der Bodenfeuchtigkeit und in manchen anderen Füllen Unannehmlichkeiten bereiten, — es ist ferner die mechanische Wirkung, die Arbeits leistung der in Bewegung befindlichen Wassertheilchen, welche selbst bei geringen Mengen derselben sich zu großen Effecten summiren und dadurch namentlich beim Flußbau jeden Versuch erschweren können, der zum Zweck der Regelung eines größern Wasserlaufes gemacht wird. Im Gegensatz zu den festen Körpern, mit deren Anordnung zu bleibenden Gleichgewichtslagen andere Zweige des Bauwesens nach Maßgabe der herrschenden Bedürfnisse, nach den Regeln der Kunst und nach den Gesetzen der Statik sich be schäftigen, hat es also der Wasserbautechniker mit einem flüssigen Körper zu schaffen, dessen Bewegungsverhältnisse noch nicht mit dem Grade der Sicherheit verfolgt werden können, wie es bei den Constructionen in Stein, Holz oder Eisen der Fall ist. So kann, Um nur Eines zu erwähnen, durchaus noch nicht mit absoluter Verlässigkeit an gegeben werden, mit welchen Geschwindigkeiten sich die verschiedenen Wasserfäden in einem ganz regelmäßigen Gerinne bewegen, weshalb auch die mittlere Geschwindigkeit und die Wassermenge selbst in diesem einfachsten Falle nur annäherungsweise bestimmt werden kann. Nichtsdestoweniger hat die Praxis des Wasserbaues schon zu allen Zeiten groß artige Werke zu Stande gebracht, sie hat dahin gestrebt, den Bedürfnissen der Menschen, der Völker Genüge zu leisten und auch heute noch muß die Förderung des allgemeinen Wohles ihr Leitstern sein. Wie aber dieses Ziel heutigen Tages, bei den gegenwärtigen Culturzuständen, zu erreichen sei, darüber sind die Ansichten noch getheilt, es ist noch kein Programm endgültig und unangefochten aufgestellt, nach welchem der Techniker etwa einen größeren Fluß von seiner Quelle au bis zu seiner Ausmündung in ruhig stehendes Wasser behandeln könnte, ohne befürchten zu müssen, daß dabei die Interessen der Thalbewohner verletzt oder nicht nach Möglichkeit gefördert werden möchten. Die meist bekannten, wenn auch vielleicht in ihren wechselseitigen Beziehungen noch nicht hinreichend gewürdigten Momente für die Aufstellung solcher Programme im Zusam menhänge näher zu betrachten ist der Zweck der folgenden Abhandlung. —