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77 78 die praktische Brauchbarkeit jener Maschine werden wir nicht unterlassen, den zahlreichen Lesern des Eleganten Näheres darüber mitzutheilen. — Herr Schmid sagt über seine Erfindung Folgendes: „Bekanntlich haben die Schneider einen sehr un bequemen Sitz bei ihrer Arbeit, indem sie mit den Füßen in dem ausgeschnittenen Loche eines Tisches auf letzterem selbst sitzen; ihre Arbeit verrichten sie gebückt, das Knie ist ihr Werkstuhl. Daß diese gekrümmte Stellung, wo der Unterleib, die Brust, das Rückgrat, Kopf und Füße besonders afficirt werden, der mensch lichen Gesundheit nicht zuträglich sein kann, ist leicht einzusehen und wird durch die verschiedenen Krankhei ten, denen ein Schneider besonders ausgesetzt ist, evident bewiesen." „Der nun erfundene Schneiderwerktisch soll diese Unbequemlichkeit entfernen, und die aus dem Gebückt sitzen entstehenden schädlichen Einwirkungen auf den normalen Gesundheitszustand der Arbeiter vermeiden; denn mit dem erwähnten Tische kann er in jeder Stel lung arbeiten, d. h. er ist nicht gezwungen, die bis herige unbequeme gekrümmte Richtung seines Körpers beizubehalten, sondern kann seine Arbeit in einer na turgemäßem Stellung verrichten, sich aber auch beliebig damit setzen, um den Körper nicht durch zu anhal tendes Stehen zu ermüden." „Weitere Vorthcile dieser Vorrichtung möchten sein: die bessere Benutzung der Arbcits-Lokalitäten, weil der diesen Nähtisch benutzende Arbeiter nicht an den jetzt gebräuchlichen Tisch gebunden ist, sondern sei nen Platz nach Belieben wechseln kann, wobei er, na mentlich im Stehen, sehr wenig Raum eiunimmt und sich zugleich daö uöthige Licht besser verschaffen kann, sei cs nun bei Tage oder bei der Lichtarbcit." Beschreibung des Apparates selbst. „Die zwei Buchstaben rs, (Wg. ZT auf der Pa tronentafel) bezeichnen den handbreiten Gurt von festem Leder, welcher um den Leib geht, um den kleinen Nähtisch zu befestigen; I» ist rückwärts die Schnalle, zur beliebigen Ver engerung oder Erweiterung des Gürtels; v ist der Arbeitstisch selbst (wie auch beiFig. ZK und ZL näher zn sehen) und besteht auS Blech, wel ches der grötzern Bequemlichkeit und bessern Manipu lation wegen gepolstert, mit einem dem Auge zu träglich gefärbten Zeuge oder Tuche überzogen und an mehrern Stellen niedergeheftet ist. Bei »L ist er nach der Wölbung des Körpers gerun det, einen halben Schuh hoch und ejnen Schuh breit; über dieses Blechstück läuft der Leibgurt. Zur grö ßer» Festigkeit und Tragbarkeit erhält der Arbeits tisch bei e eine eiserne Stütze, die auf dem Blechstück «ll befestiget und in zwei Arme getheilt unter den Werk tisch läuft, wo er mittelst Schrauben befestigt ist; 1' sind zwei Tragriemen, die vorn am Blech stück «I eingehängt werden, über die Achseln laufen, sich im Rücken vereinigen und unten am Gurt durch eine Schnalle festgemacht werden; A ist die Beleuchtung für den Nachtarbeiter und zwar wie ein senkrecht stehender Ständer am Bo den des Werktisches angeschraubt, an dem sich wage recht ein gegliederter Arm (s. Fig. Skt K) befindet, der an seinem äußern Ende i den Leuchter trägt, statt dessen natürlich auch ebensogut ein Lämpchen angebracht werden kann. Der Arbeiter kann sich durch den gegliederten Arm K das Licht nach Belieben nähern oder entfernen. Bei K (s. Fig. LE) ist unter dem Werktisch ein kleines Kästchen zum Aufbewahren von Nadeln und dergleichen Materialien angebracht." Wie man sicht, ist die ganze Einrichtung eben so einfach, als wvhldurchdacht und praktisch; selbst das An- und Ablegen des Apparates ist keineswegs so langweilig, als eS vielleicht auf den ersten Blick scheinen dürfte. Die über die Schultern laufenden Riemen gleichen ein paar Hosenträgern, welche eben so schnell zu befestigen sind, als es mit dem um den Leib gehenden Gürtel der Fall ist. Daß die Achsel riemen nach Belieben verkürzt werden können, ist jeden falls sehr praktisch, da es kurzsichtigen Arbeitern da durch möglich wird, die Arbeit den Augen näher zu bringen, ohne den Kopf wie zeither über alle Maßen herabneigcu zn müssen. — Nach der ziemlich ein fachen Constrnction zu urtheilen, kann die Herstellung des Apparates wohl kaum den Preis von ein paar Thalern übersteigen, und es steht sonach auch in pceuniärer Hinsicht der allgemeinen Anwendung kein Hinderniß im Wege, da Jedem seine Gesundheit lie ber sein muß, als bas wenige Geld. Auch wird jedenfalls nur eine kurze Zeir dazu gehören, sich an, den Gebrauch dieses neuen Arbeitstisches eben so zu gewöhnen, wie zeither an das eigne Knie, welches als Unterlage diente. Sehr zn wünschen wäre, daß die verehrlichen Schneidermeister schon für die Lehrlinge dergleichen Apparate anschafstcn, da der jugendliche Körper be kanntlich durch daS anhaltende Krummsitzcn am aller meisten gefährdet und in seiner Entwickelung gestört wird. Wir können nicht umhin, dies unser» verehrli chen Abonnenten recht dringend an das Herz zu legen. — Die Redaction des Eleganten H. Klemm ju».