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370 ^1. Oktbr. — (18 Deutsche Gewerbezeitung. Stoffe zu niedrigsten Preisen niemals mit denen von besserer Beschaffenheit in die Schranken treten können, so mußte man seine Zuflucht zum Ausputzen nehmen. Vermittelst der Posamen- tir- und Knopsmacherarbeit verlieh man diesen Kleidern ein gefäl liges Aeußere selbst bis zur Koketterie, und ersetzte durch Ele- ganz den reellen Werth des Stückes." Diese Manipula- zion wird ebenfalls und nicht um ein Haar anders von den deutschen Konsckzioneuren in Anwendung gebracht, und es wäre noch das Geringste, das Publikum durch die Eleganz zu täu schen, denn es beurkundet dieses Treiben doch gewissermaßen ei nen Geschmack, aber die deutschen Konfekzioncure, — und darun ter hauptsächlich die Berliner unv die Breslauer, — find in der Sicherheit ihrer Ueberlegenheit so weit gegangen, daß sie beinahe systematisch dem Geschmacke den Kopf abgebiffen haben. Oder glaubt man vielleicht, daß der gequälte Arbeiter, welcher Hund und Katze mit an die Arbeit spannen möchte, um bei dem Arbeitslohn, den er erhält, nur einigermaßen zu bestehen, einen Kunst- und Schönheitssinn an den Tag legen kann? Oder hängt vielleicht der Verbrecher im Zuchthause, wo jährlich Tausende von Stücken gemacht werden, mit der Liebe und Aufmerksamkeit an seiner Arbeit als cs freie Arbeiter thun? Wenn wir auch davon abscheu wollen, welckicn Nachtheil die Konfekzion im All gemeinen täglich dem Publikum zufügt, daß es demselben durch die fertigen Kleider Stoffe verkauft, welche für den allerbilligsten Preis viel zu theuer bezahlt sind, — den» das Publikum mag sehen, wie es mit dem Verkäufer fertig wird, — so hat sie aber der Kleidermacherkunst den empfindlichsten Nachtheil inso fern gebracht, als sie eben dadurch, daß sie bei verhältnißmäßig niedrigen Verkaufspreisen immer noch hohen Gewinnst zu erstre ben sucht, den Kunst- und Schönheitssinn so untergraben hat, daß der gute Arbeiter immer seltener wird, denn es ist anzuneh men, daß diejenigen, welche nicht selbst von der Konfekzion ge bildet worden, entweder durch sie selbst oder durch ihren Ein fluß verdorben worden sind. Einen empfindlichen Nachtheil übt die Konfekzion aber auch auf das Gemeinwohl aus, indem sie sehr viel dazu beiträgt, unsere Arbeiter zu entsittlichen. Wenn die Konfekzion in unserm Fache gleichsam die Fabrik darstellt "), so ist ihr Arbeilssystem ein anderes, als dasjenige aller andern Fabriken. Das Arbeitssystem aller Fabriken muß darin bestehen, daß der Arbeiter in den Arbeitslokalen der Fabrik beaufsichtigt und geleitet wird, und sich einer Disciplin unterwirft, welche ihn in Schranken hält. Wie steht es aber mit dem Arbeiter, welcher für die Konfekzion arbeitet? Zn armseligen Wohnungen, zum Thcil in elenden Baraken, selbst oft, wie in London, in vermo derten Kellerlöchern, arbeiten sic für sich allein ohne Aufsicht, ohne Leitung und ohne Sporn zur Vervollkommnung in ihrem Fache. Leichtsinnig schließen sie häufig Ehen, ehe sie reif an Verstand und Erfahrung geworden sind, wozu selbst die Kon- fekzionöre den größten Vorschub leisten, weil sie dieselben auf diese Weise am besten an ihr Haus zu fesseln wähnen. Wir haben gesagt, daß der Konfekzion der Grund pfeiler der Humanität fehle. Wäre dem nicht so, so wür den die verschiedenen Unternehmer, welche oft Hunderte von Ar beitern beschäftigen, dieselben, bei verhältnißmäßig schlechter Be zahlung, nicht in ihren Löchern mit ihren Familien an Leib und Seele verkümmern lassen, sic würden ihnen Arbeitssälc ein richten, wie solche unter Berücksichtigung der Gesundheit der Arbei ter eigentlich noch nie dürsten gefehlt haben. Man wende hier ja nicht ei», daß sich das Geschäft selbst nicht wohl dazu eigne, es Paßt dazu wie jedes andere, der Leichtigkeit des Betriebs we gen aber hat man aus Sparsamkeit dieses Arbeitssystem avoptirt, vielleicht ohne zu wissen, welchen Nachtheil man dem Arbeiter dadurch zufügt. Ein anderer Nachtheil, welchen uns die Kon- sekzivn zufügr, ist der, daß die Reihen der Arbeiter sich immer mehr lichten, und zwar dadurch, daß die Eltern derjenigen Kna ben, welche das Resultat des Verdienstes des Konfekzionsarbei- ters zu häufig mit dem eines ordentlichen Schneiders verwech seln, und meinend, ihrem Sohne bliebe in spätern Jahren doch ") Nein sie ist das Fabrikverlagsgeschäft, das Kaufsustem i» der Hausindustrie, in der Kleidcrmacherei und nicht Fabrik, so wie Herr Schmidt diese gleich in den nächsten Zellen kennzeichnet. Red. Gwbztg. kein andres Loos, als für den Konfekzioneur zu arbeiten, densel ben verhindern ein Schneider zu werde». Wenn auch noch an dere Ursachen diesem Umstande zu Grunde liegen, so hat doch das Konfekzionswesen ein gutes Theil dazu beitragen helfen. Wir gaben im Eingänge zu, daß die Konfekzion eine Ar beitsquelle für Tausende von Arbeitern sei, dies ist Thatsache, denn die Stoffe und Kleider, die sie verkauft, müssen hergestellt werden, aber für diejenigen Arbeiter, die sie direkt beschäftigt, ist sie keine Nahrungsquelle. Am besten hak uns dies Herr Löinann in seinem Berichte selbst bewiesen, indem er uns erzählt, daß 20,000 Arbeiter, welche von der pariser Konfekzion beschäf tigt werden, jährlich nicht mehr als 8,000.000 Fr. verdienen, während der Bruttoüberschuß des ganzen Konfekzionsgeschäfts sich ebenfalls ungefähr auf 8,000,000 Fr. belaufen soll. Wenn die ser Ueberschuß in Netto betrachtet, sich auch nur auf 6,000,000 Fr. beliefe, so ist er doch der Reinertrag eines Geschäfts, welches nur 270 (einzelnstehende) Prinzipale hat. Wäre es nun nicht im höchsten Grade wünschenswerth, daß sämmtliche 270 Prinzipale den Arbeitslohn um 2,000,000 Fr. vermehrten unv sich selbst mit 6 resp. L Mill. Fr. Reinertrag begnügten? Sie würden sich 20,000 dank bare Herzen erwerben und selbst immer noch reiche Leute dabei wer den. Daß die Konfekzionöre dies selbst fühlen, beweist ein Passus in Herrn Lomanns Denkschrift, er sagt daselbst: „Die Verbesserung der Arbeitslöhne wäre im Interesse der Konfekzion selbst zu wünschen, denn sie weiß es nur zu gut, baß den schlecht belohn ten Arbeiter seine Profession anekeli und er sich in derselben auch nie vervollkommnet." Die Nachtheile, die das Konsekzionssystem für die Folge ha ben wird, werden unter gleichen Verhältnissen stets dieselben bleiben, in Frankreich wie in Deutschland und in jedem andern Lande, wo sie ihre Polypenarme ausstreckt. Trotzdem daß nun die Umrisse des kleinen Bildes, welches wir über die Nachtheile der Konfekzion entworfen haben, noch lange nickt scharf gezeicknet sind, so gibt es doch auch unter den Konfekzionören solche Männer, welcke an dem Eniwickelnngsgange der Konfekzion zum Nachtheile des Gesammtwohls, besonders was die Lohnfrage betrifft, keinen Theil genommen haben, ebenso ist auch der Geschäftsbetrieb solcher Konfekzioncure derart, daß sie eigentlich gar nicht zu den Konfekzionören, sondern zu den Schnei dern zählen, ebenso wie ein Schneider, welcher mit allem Kaus- mannszubehör sein Geschäft treibt, kein Handwerker mehr, son dern ein Kaufmann ist. Wenn aber das zuletzt entworfene Bild manchem zünftig denkenden Leser als ein Beweis dienen könnte, daß eben die Ge- werbefreiheit solche Gebrechen erzeuge, so beweist er damit nur, daß er seine Zeit noch nicht erkannt hat, daß er der Gewerbe- sreiheit andere Ursachen zu Grunde legt als sie wirklich hat, mit einem Worte er weiß nicht, daß die wirthschaftliche Entwicke lung nicht mehr ohne Gewerbefreiheit fertig werden kann. Dar um wäre cs auch der größte Widersinn, die Konfekzion durch Gewaltmittel zu verbannen. Beseitigt muß sie werden, weil sie ein Auswuchs am Baum der Gewerbefreiheil ist. Aber dies kann nur durch einen offenen und ehrlichen Kamps, mit erlaubten Waffen geführt, geschehe». Schließlich er innern wir noch einmal daran, daß Niemand, selbst der kleinste Meister eS versäumen möge die drei Waffen, kaufmännische Geschäftskenntniß, Reellität gegen die Kundschaft und Assoziazion mit Geschick führen zu lernen, dann wird man den Auswuchs am Baume der Gewerbefreiheit, welcher zwar mächtig entsprossen, seine Blüthe aber schon wieder hinter sich hat, bald verschwinden sehen. Besonders ist es die Assoziazion, welche allen Ernstes die kleineren Meister ins Auge fassen sollten, weil sie sich dadurch die gegenwärtige Betriebsweise eben so gut zu Nutze machen können als das Kapital es kan», welches nach ihrer Meinung ja auch die Konfekzion geschaffen hat. Und wie leicht ist dies nickt zu bewerkstelligen. In Orten, wo es Vorschußbanken gibt, braucht man noch nichr einmal Geld dazu, man braucht nichts als einen Bürgen und den Vorsatz, eine Anleihe in wöchentlichen kleinen Raten wieder abbezahlen zu wollen, um dort so viel Vorschuß zu erhal ten, als man zur Milgründung einer solchen Assoziazion bedarf.