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187 188 Gewerbtreibcnden unter einander; v) über die Grenzen und Befugnisse der einzelnen Gewerbe gegen einander. Bei appellabeln Gegenständen entscheidet das kompetente Obergericht jedes Landes in zweiter und legterJnstanz. tz. 15. Alle Ausfertigungen und Erkenntnisse der Jnnungsbehörden sind stempelfrei. §. 14. Zum Verwaltungsausschuß sind mindestens fünf Mitglieder erforderlich. Derselbe hat die gemein schaftlichen Interessen der Gewerbtreibenden seines Bezirks wahrzunehmen, sämmtliche Jnnungsinstitute desselben zu überwachen, und alljährlich, oder, wenn nötbig, in kür zen; Zeitabschnitten über die Lage und Bedürfnisse des Ge- werbstandcs an die Gewerbs-Kamniern zu berichten auch durch ein Mitglied Meisterprüfungen zu leiten. h. 16. Es sollen Special-Gewerbekammcrn gebildet werden, welche den gesetzgebenden Ständekam- mern des Landes berathend zur "Seite stehen, und sich sowohl mit den Gewerberäthen, als mit den Arbeits- Ministerien über alle gewerblichen Angelegenheiten zu benehmen haben. Diese Special-Gewerbekammern werden durch die Gewerberäthe gewählt. tz. 17. Eine allgemeine deutscheGewcrbe- kammer versammelt sich jedesmal gleichzeitig mildem deutschen Parlament an dessen Sitz; ihre Aufgabe ist es: recht verbindliche Beschlüsse zur Herstellung üb er- cinstimmender Special-Statuten für die glei chen Innungen zu schaffen, und die den gewerblichen Interessen entsprechenden allgemeinen Maßregeln und Gesetze zu beantragen. — Die Mitglieder dieser Kam mer werden durch directeUr wählen aller deutschen Jnnungsmeister, im Verhältniß von ^ der National vertreter gewählt. Die Berufung geschieht durch das Reichsministerium. Vit III Lehrlinge, tz. 18. Derjenige, welcher in die Lehre treten will, muß das 14. Lebensjahr zurückgelegt haben, bei dem erwählten Lehrmeister eine vierwöchentliche' Probezeit bestehen und in einer von dem Jnnnngsvorstande vor- zuuehmendenPrüfung Nachweisen, daß er schreiben, lesen und rechnen kann *). tz. 19. Zwischen dem Vertreter des Lehrlings und dem Lehrmeister wird vor dem Jnnungsvorstaude ein *) Man scheint hier offenbar angenommen zu haben, daß rs künftighin noch immer junge Leute geben werde, die nach zurückgelegtcr Schulzeit weder lesen noch schreiben können, wie Lies bei der zeitherigen Vernachlässigung des Volksschulwesens derFall war, in Zukunft aber hoffentlich nur noch bei gänzlich verwahrlosten oder geistes ranken Kindern Vorkommen wird und Vorkommen darf. Solche Geschöpfe aber, denen während einer 7- bis 8jäbrigcn Schulzeit nicht das Allernothwendigste beizubringen ist, wird man schwerlich in das öffentliche Leben Hinausstoßen, um ein Gewerbe zu erlernen, was von Jahr zu Hahr schwieriger wird. — Die Herren Kongreßmitglieder schei nen im Eifer für ihre Gcwlrbeordnung nicht daran gedacht zu haben, daß ein verbessertes BolkSschulwesen das nothwendigste und wesentlichste Mittel zurHebung der geistigen und materiell ten Volkswohlfahrl ist und füglich der Gewerbeordnung voran gehen sollte. Anmerk, der Redact. schriftlicher Lehrvertrag abgeschlossen und in die Jn- nungsmatrikel eingezeichnet. Der Mangel eines solchen Vertrags hindert die Aufnahme des Lehrlings. tz. 20. Die Lehrzeit darf nicht unter 3 und nicht über 5 Jahre dauern. Gleiche Gewerbe haben in ih ren Special-Statuten eine gleiche Lehrzeit festzustellen. tz. 21. Halbjährlich muß der Lehrling ein Zeugniß des Lehrmeisters über sittliches Betragen und gemachte Fortschritte dem Jnnungsvorstaude bringe». tz. 22. Nach beendigter Lehrzeit hat der Lehrling vor einer aus Meistern der Innung niedergesetzten Com mission eine Probe seiner Fähigkeiten abzulcgen (h. 28.). — Die Gegenstände der Prüfung sind in den Special-Statuten zu bestimmen. Der Geprüfte erhält ein Arbeitsbuch, in welches das Prüfungs- zeichniß eingetragen und die Zeit, während welcher er bei einem Meister in Arbeit stehen wird, verzeichnet werden soll. Vit. IV. Gesellen. h. 23. Jeder Geselle muß mindestens drei Jahre wandern. Eine Abkürzung oder Aufhebung dieser Frist kann nur aus dringenden Gründen von dem Ge- werbcrath gestattet werden "). h. 24. Das Wandern ist in keiner Weise zu er schweren. tz. 25. Zwischen Meister» und Gesellen tritt nach Ablauf der ersten 14 Tage, während welcher beide Theile sich trennen können , eine gegenseitige Kündigungsfrist ein, sofern vertragsmäßig nicht etwas Anderes festgesetzt ist. tz. 26. Allgemein soll eine Feststellung der Arbeits zeit der Gesellen erfolgen. Die Gewerberäthe haben für die einzelnen Innungen, unter Zustimmung der Gesellschaft, die nähern Verhältnisse zu ordnen, und *) Wie sich dieser Wanderzwang mit der gewünschten freien Bewegung verträgt und vertragen wird, dies vorherzu sagen braucht man eben keine große Sehergabe. Also drei volle Jahre muß Einer in der Welt herumlaufen, ehe er hoffen darf, in eine so ehrwürdige Innung ausgenommen zu werden. — Ohne zu verkennen, daß das Wandern sehr oft sein Gutes hat, dürfte doch jeder Zwang darin sich eben so unpassend, als lächerlich Herausstellen, dies hat die Erfahrung zeither genug sam bewiesen. Tausende von Gesellen, denen ihre Vaterstadt oft mehr, wie jede andere, dre ausreichendste Gelegenheit zur geistigen und technischen Ausbildung dardot, mußten selbige ver lassen; und hatten sie sich nun einige Jahre auf den nächsten Dörfern Herumgetrieben und daselbst bei irgend einem Stumpfer gearbeitet, so war „der Wanderpflicht Genüge gelei stet," und sie wurden »un, wenn auch zehnmal dümmer zu rückkommend, ohne Weiteres in die ehrwürdige Zunft ausge nommen , sobald sie nur einigermaßen ihr Meisterstück zuwege- brachlen. — Man sehe doch lieber streng auf Bildung und Fähigkeit, dann ist es wohl gleichviel, wo der Betreffende sie erlangt hat. "*) Also ohngefähr eine vierzehntägigc Probezeit, wie man sie jetzt fast nur noch auf den Kleinstädten findet, wo den Meistern vor Allem daran gelegen sein muß, zu wissen: ob ein Geselle recht viel Arbeit liefert und nebenbei nicht gar zu entsetzlich stark ißt! Anmerk. der Redact.