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(-1. Januar — (18 2 Deutsche Gewerbczeituug. darüber klar zu werde», waS solche Prinzipe denn eigentlich sind. Inzwischen haben Sie jedenfa is über den Unterschied zwischen poetischer und prosaischer Kunst bestimmte Ansichten?" Antwort: Allerdings. Frage: „Wollen Sie nicht damit sagen, daß die Knust des Malers mir der Kenntniß von der Anatomie, der Fähigkeit ge nau nachbilden zu können, die Kenntniß der Farbe. Stellung, Perspektive, der Verkürzung; des Schattens und Lichts, der Bewegung und der Thätigkeit, alles Dies nicht eine poetische Kunst zu nennen sei?" Antwort: Ja. Frage: „Somit ist die Baukunst oder Musterzeichnenkunst in der That eine prosaische Kunst?" Antwort: Es würde mir sehr übel stehen, wenn ick das daraus folgern wollte, ich kann nicht einseheu, warum die Kunst des Architekten nicht ebensosehr den Zweck har, auf das Gemülh poetisch einzuwirken, als die Kunst des Bildhauers. Frage: „Wollen Sie aber auch dasselbe in Bezug aus Mu ster behaupten, auf Manufaklurgegenstände, auf Zeuge, Schmuck- ! gegenstände, Gefäße, beim Kattundruck und beim Bemalen von Porzellan?" Antwort: Ohnstreitig! Ich sehe nicht ab, warum dadurch nicht ebenfalls ein Eindruck ans des Beschauers Gemüth gemacht werden soll, als durch die Kunst des Malers. Wenn die Poesie der Erfindung nicht auch solche Muster durchdringl, werden wir nimmer zu eigene» Mustern gelangen. Wir haben hier eine allerdings nicht sehr klare Auskunft über die Sache, um die cs sich handelt, und doch ist dies Alles, mit Ausnahme einer Ansicht von Wilson, der Vorsteher der Mu sterzeichnenschulen. Die Kunst des Ornamentisten ist ihm eine Kunst der direkten Nachahmung. Aus der Zusammenstellung der Aussagen vor jenem obenerwähnten Komirs haben wir sonst Nichts zusammensuchen können, obgleich sämmtlichc Musterschulvor steher des Langen und Breiten gefragt worden sind, um womöglich zu erfahren, wie man den Schülern am besten die Prinzipien der Ornamentenkunst beibringe. Denn diese, so scheint es namentlich aus einem Briefe an ein Mitglied der Hauptdirek- zion der Musterzeichnenschulen hervorzugehen, wird nicht nur nicht gelehrt, sondern sie ist auch noch gar nicht entdeckt worden. Der erste Schritt demnach, um zu einem bessern Verständ lich der in der Verzierungskunst enthaltenen Prinzipien zu ge langen, ist die unterscheidenden Merkmale zwischen sogenannter schöner Kunst und der Kunst der Musterzeichnung herauszustnden. Verzierung, Zierrath ist dem Wortverstande nach das Ergeb- niß dieser Kunst: demzufolge das Anbringen einer Verzierung oder eines Zierraths auf de» Menschen nützlichen Gegenständen (Gebrauchsgegenstände). Die schöne Kunst aber kann angewendet werden und wird auch häufig, wie wir meinen, sehr ungeeignet angewendet, jene Gegenstände zu verzieren. Wir müssen daher nothwen- digerweise uns nach einem andern Unterscheidungsmerkmale Umsehen. Nun ist offenbar das Feld der schöne» Kunst die Abbildung von Oberstächen unbelebter Natur, wie sie sich in ihrer unendlichen Abwandlung in Form und Anschein zeigt; ferner die schönen Ideale oder Formen belebter Schöpfung zu zeichnen, und einen flüchtigen Ausdruck der Leidenschaften von Menschen und Thiereu auszufaffe» und festzuhalten, und zwar dies zu dem Zweck, um in der Seele des Beschauers Gefühle und Empfindungen zu erregen, denjenigen verwandt, die in Wahrheit und Wirklichkeit durch die Vorgänge oder die Gegen stände hervorgerufen werden, welche durch den Künstler abgebil det worden sind. Haben wir aber mit dieser Definizion das Gebiet und den Zweck der schönen Kunst richtig bezeichnet, so folgt einfach, daß insoweit die Verwirklichung dieses Zweckes in Diese Briefüelle lautet: „Gewißlich, wenn die hohe Kunst Prin zipien hat, die gelehrt werden können und gelehrt worden sind, so muß auch die Ornamentenkunst, die ihrerseits nicht geheimnißvoller in ihrer Grundlage, aber so offenbar abhängig von sistematischer Anordnung ist, wie es die schönen Werke alter Zeiten und Länder entschieden beweisen, ebenfalls Prinzipien enthalten, die zu entdecken und darzulegen sind, ähn lich geometrischen Lehrsätzen. Frage kommt, dekorative und schöne Kunst Nichts gemeinschaft lich haben, nämlich zugegeben, daß dekorative Kunst und schöne Kunst, jede als etwas für sich Bestehendes zu betrachten ist. Um aber mir schöner Kunst nicht Ein und Dasselbe zu sein, müssen Absichten und Zwecke der Verzierungskunst von denen der schönen Kunst abweichen, nicht minder die Mittel, wodurch diese Absichten und Zwecke erreicht werden sollen. So ist z. B. der Zweck des Dichters mit dem des Ma lers gleich, aber die Mittel, wodurch sie ihre» Zweck erreichen müssen, find sehr weit von einander verschieden. In der dekora tiven Kunst jedoch ebenso wie in der schönen Kunst werden alle Eindrücke auf das Gemüth durch die Augen vermöge Vorfüh rung von Abbildern wirklicher oder eingebildeter Gegenstände gemacht. Im Allgemeinen find daher die beiden Fälle gleichar tig, und wenn dem so ist, so werden wir zu der Alternative getrieben, entweder das unterscheidende Kennzeichen dieser Kunst zweige im Zwecke zu finden, oder davon abzusehen, daß über haupt eine dekorative Kunst an sich eristirr. Inzwischen setzen ! wir einmal voraus, daß Mittel und Zwecke der dekorative» Kunst und schöner Kunst gleichartig sind, und demgemäß kein generischer llnterschied zwischen den Werken eines Dekorators und eines Bildhauers statlfindei. Wie gehr es denn aber zu, daß wir eine Menge von Proben oder Ausführungen, die wir bis jetzt der dekorativen Kunst angehörig betrachteten, ansehen können, ohne irgend eine gemüthliche Aufregung in uns zu fühlen. Wenn wir z. B. auf eine hübsche Borde blicken, und uns an ihrem herrlichen Schwünge erfreuen, wird unser Gemüth nicht berührt, während die Würdigung eines Werkes der schönen Kunst ohne alle Ausnahme eine liefe Empfindsamkeit unserer Seele erheischt? — Klar ist demnach, daß ei» bezeichnender Unterschied zwischen der Kunst des Dekorators und der des Malers und Bildhauers besteht, und daß man die Wurzel dieses Unterschieds zu suchen hat in den verschiedenen Gebieten beider Künste. Wir haben bereits zugegeben, daß die dekorative Kunst in mehreren ihrer Zweige auf den Geist hinwirkt; wir sind daher genöthigl, ihr gemeinschaftlich mit der schönen Kunst die Fähigkeit beizumessen, Ideen zu verkörpern und verständlich auszudrücken, und wir ge stehen nun ferner dem Musterzeichner das Recht zu, alle Natur formen seinen Zwecken unterzuordnen. In Folge jener Zuge ständnisse und auf Grund der vorstehenden Beweisführung sind wir nun gezwungen, den Unterschied zwischen schöner Kunst und den höhere» Zweigen dekorativer Kunst entweder in den verschie denen Arten und Weisen zu suchen, Ideen auszudrücken, durch verschiedene Anwendung der Zeichnenkunst, oder aber in der Na tur und Weise jener Ideen selbst, oder endlich in Beiden. Wir werden später sehe», daß die Felder ihrer Wirksamkeit bezüglich ihrer Wirkung auf das menschliche Gemüth sebr weil von einander getrennt sind, und daß das Ersetzen oder Einsetzen einer Kunst für die andere wesentlich eine Untugend unsers Zeit alters ist. Behaupten wir, daß das Gebiet der schönen Kunst die Abbildung der Oberflächen unbelebter Natur ist, wie sie sich in ihrer unendlichen Abwandlung in Form und Anschein zeigt; ferner die schönen Ideale oder Forme» belebter Schöpfung zu zeichnen, und einen flüchtigen Ausdruck der Leidenschaften von Mensche» und Thieren aufzufaffen und festzuhalten, und zwar dies zu dem Zwecke, um in der Seele des Beschauers Gefühle und Empfindungen zu erregen, denjenigen verwandt, die in Wahr heit und Wirklichkeit durch die Vorgänge oder die Gegenstände hervorgerufen werden, die durch den Künstler abgebildet worden sind; so geht daraus hervor, daß, da sowol Musterzeichner als Maler Naturgegenstände abzeichne», die Ausübung dekorati ver Kunst, insofern sie sich auf Abzeichnung von in der Natur sich vorfindenden Formen bezieht, Nichts damit zu thun hat, sie in einer Weise darzustellen, die dazu führt, dem Beschauer solche Gemüthsbewegungen hervorzurufen, wie sie die Dinge ihrer wirk lichen Natur nach hervorzurufeu geeignet sind; sie wird dahin gegen, falls sie auf das Gemüth einwirkt, in demselben Empfin dungen erregen, die den Gefühlen der vorgestellten Dinge fremd sind, oder doch ein diese» fremdes Gefühl hinzubringen. So weit gekommen empfiehlt sich die Aufstellung unserer Bezeichnung der Grenzlinie zwischen dekorativer und schöner Kunst. Wir wieder-