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125 „Paolo Bancoloerwicderte ihm der Pater Guar dian, „Gott hat Euch nach so viel grausamen Leiden und langsamen Foltern, wie cs scheint, ein reiches und glückliches Dasein ausbcwahrt. Segnet ihn, Ban colo, und vergeßt nicht in der glänzenden Stellung, die Ihr einzunehmen scheint, daß wir dort noch Un glückliche gelassen haben, die nach ihrer Freiheit, ihrem Baterlande seufzen und weinen." — „O nein, Herr!" antwortete der Fremde; „Paolo Bancolo wird seine Unglücksgcfährten nicht vergessen, und versuchen, so viel an ihm ist, ihre Leiden zu lin dern und ihre Fesseln zu sprengen. Jetzt, vor Euerem An^.,lchtc, nimmt er diese Verpflichtung über sich, und ich, sein Sohn, bin Bürge Bancolo's." „Ihr seid der Sohn Bancolo's?" fragte der Mönch. „Ja, Herr, und der Himmel hat mir bis auf die sen Tag nicht das Gluck gegönnt, meinen Vater zu sehen, der seiner Familie geraubt wurde, als ich noch in der Wiege lag." Der Mönch hob die Augen gegen den Himmel. „Acht Tage nach meiner Geburt," fuhr der Fremde fort, „wurde mein Vater, der, wie Ihr wißt, Steuer einnehmer in Palermo war, cingcladen, auf der Insel iAyra einige griechische Kaufleute zu besuchen, denen er so glücklich war, viele gute Dienste zu leisten. Er schiffte sich im Hafen von Eatana ein; seit jener Zeit hat meine Familie nicht mehr von ihm sprechen gehört. Meine Mutter schickte vertraute Personen nach Syra; aber die griechischen Kaufleute versicherten, man habe nicht einmal das Fahrzeug, ans dem sich mein Vater eingeschifft hatte, vor der Insel gesehen. Man glaubte ihn daher todt. Denkt Euch nun mein Erstaunen und mein Glück, als ich diesen Morgen seinen Namen aus Euerem Munde vernahm. Name, Alker und die Zeit ^^Gefangenschaft, Alles ließ mich glauben, daß die "Anung meines Herzens mich nicht tauschte. Ich lief zu Herrn von Längeren, sah den armen Gefangenen und bald drückte ich den Vater an meine Brust." „Unergründlich sind die Beschlüsse der Vorsehung," rief der Mönch; „aber konntet Ihr, Paolo, nicht Euere Familie wissen lassen, daß Ihr noch lebtet?" „Einige Meilen vom Hafen singen uns tunesische Korsaren, und einmal in Tunis angekommen, wurden -vir an den Dcy verkauft, der uns über sechszig Mei len weit in's Land schickte, um an den Wallen einer Festung zu arbeiten; nur meinem hohen Alter ver danke ich cs, daß ich wieder nach Tunis kam, wo Ihr gegen einen Euerer jungen Geistlichen mich aus gelöst habt." „Mein ehrwürdiger Vater," siel der Sohn Paolo's lebhaft ein, „wie viel Geld glaubt Ihr, daß man noch braucht, um die sechshundert Christensklaven in Afrika loszukaufen?" „Die Mahomcdaner sind zwar rohe Menschenhänd ler, unersättlich und räuberisch; dennoch glaube ich, daß cs mit sünfhundcrttausend Franken gelänge, alle unsere Brüder zu befreien." „Wohlan!" versetzte der Fremde, es hängt nur von Euch ab, diese Summe in Empfang zu nehmen. Ihr fürchtet das Reisen nicht?" „Drei Vicrtheile meines Lebens," rief der Pater Guardian, „habe ich in verschiedenen, fremden Län dern zugebracht; ich schwamm auf dem Meere, ich durchlief die Wüsten Afrika's, und immer ward ich vom Verrrauen auf Gott und der Liebe zum Nächsten aufrecht erhalten. Und ich sollte zurückschrccken vor einer neuen Reise, welche die Erlösung aller dieser Unglücklichen zur Folge haben kann?" „Findet Euch also künftiges Jahr den Abend vor Aschermittwoch," erwicderte der Sohn des Gefangenen, „im Palast Orsini, auf dem St. Markusplatze in Ve nedig, ein; ich werde Euch dort treffen. Bedenkt es wohl, daß ich Euch da erwarte und daß von Euerer Pünktlichkeit das Wohl Euerer Brüder n. hängt. Lebt wohl, mein ehrwürdiger Vater!" Die beiden Bancolo's umarmten den Mönch herz lich und entfernten sich. Am Klostcrlhore erwartete sie ein prächtiger Wagen und führte sie schnell auf der Straße nach Italien fort. In der Fastnacht des folgenden Jahres bot das Theater Fenice zu Venedig den großartigsten, ent zückendsten Anblick dar. Die acht Logenreihen, worin Alles thronte, was Italien an Jugend, Schönheit und Glanz besaß, leuchteten von Tageshclle. Vierund- zwanzigtausend Wachskerzen brannten auf zwölfhundert Kronleuchtern von vergoldetem Silber und in den Strah len dieser künstlichen Sonne funkelten Spiegel von Dia manten, Perlendiademe, Smaragdketten, Topas- und Rubin-Halsbänder und Kameen, in gediegenem Golde eingefaßt. Alle Länder Jtalien's schienen sich daher bestellt zu haben, es war ein wahrhaft künstlerischer Congreß. Die römischen Damen erkannte man an der