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4V reicht man Ispahan; endlich tritt man nach Monden- verlauf die Rückreise an. Zwei Jahre sind dahin; noch hat man nicht einmal Moskau wieder erreicht. Der mit dem Carmin der glühendsten Sehnsucht überreich strahlende Dichter, unter dessen Hülle zerstörende Kräfte wirken, rafft durch zuverlässige Hoffnungen beseelt, seine Lcbenstriebe noch einmal zusammen, obwohl stark an- kämpfcnd gegen die grausen Ahnungen täuschender Zu kunft. Am 2. Jänner 1639 ziehen endlich die Gesandten wieder in Rußland's Hauptstadt ein. Nur kurzen Aufenthalt will man sich hier gestatten. Flemming's Geist hebt sich muthigcr empor. Er ist wieder der muntere Dichter, der warme Freund, der lebendige Mensch. Die durch kalte, lange Winterabende begün stigten Freuden der Geselligkeit umfluthen auch ihn wohlthätig, vorzüglich da im Hintergründe seiner Seele die frohe Gewißheit, Rcval's Fluren bald zu begrüßen, immer mächtiger sich regt. Spät um Mitternacht war Flcmmi?>cst einst vom Hofballe zurückgckehrt. Feurige Ehampagncrglulh durch- ogte ihn. Die Tone rauschendster Musik klangen )ch durch Seele und Gebein. Bittere Betrachtungen, arum Brüggemann, Grüncwald und Mehre ihm so ind wären, da er sich keiner Veranlassung dazu be wußt war, schwebten vor seinem Geiste; denn er hatte .'Ute Abend erst wieder arge, kränkende Erfahrungen rrüber gemacht. Dann, sich mit Crusen's Gönner haft und seiner lautern Unschuld tröstend, überkam ,n die heißeste Liebesschnsucht und regten die langge- rsteten Fittige seiner Ungeduld wieder mächtig auf. storpheus floh. Er öffnete die Fenster seines Schlaf- emachcs und starrte mit starrem Glulhcnblick hinaus r die winterliche Nacht. Ein weißer Faltenmantel >mgab die Erde; ein sterndiamantenes Gewand strahlte urch den halbhcllcn Flor des Horizonts. Vor ihm reitete sich ein großer Gartenraum aus. Alles war kill, schlummernd; nur durch die schwarzen Pinien äuselte ein eisiger Nachtwind. Plötzlich öffnete sich fast zerade unter ihm eine schmale Thür, und eine mäßig 'urze Gestalt, in dunklem Mantel gehüllt, trat, sie langsam anlehnend, daraus hervor und eilte nach nner Piniengruppe. Da kam ihr schon eine an- vere Gestalt entgegen und sagte ziemlich laut „dort"! Beide schritten nun schnell der entfernten Gartenmauer zu, deren Pforte nach einer engen, winkeligen, mit Knüppelholz belegten Gaffe führte. Flcmming über kam eine eigene Neugierde. Er hing schnell sein Wchr- gehäng 'um, rief seinen treuen Freund Eonrad und Beide eilten nun hastig die Treppe hinab nach der unverschlossenen Thür. Bald waren sie so leise, als möglich, durch die Gartenpforte auf jener engen Gasse und vielleicht nur fünfzig Schritte von den zu Beob achtenden, deren Zahl auf vier gestiegen war. Das Abenteuerliche, Kühne reizte unfern Flcmming und emsig schritt er nach, als er hinter sich Trittte hörte. Er sah sich um, cs war Olear, er hat den Freund in den Garten treten sehen und war ihm aus herzlicher Besorgniß gefolgt. Das Winklichc der Gasse begün stigte die Beobachter. Sie konnten sich jeden Augen blick verbergen. Endlich erreichten sie eine Ecke und befanden sich auf einem Marktplätze. Die Räthselhaf- ten waren mittlerweile vor ein großes hölzernes Haus gekommen, das neben einer jener Kirchen stand, wie sie in Moskau mit ihren fünf zugespitzten Kuppeln und einem Glockenthurme in der Mitte, auf dem das goldene Kreuz über dem Halbmonde glänzt, in Fülle zu sehen sind. Rasch traten die Freunde in eine Nische derselben, von wo sie genau Jener Beginnen beobach ten konnten. Der Eine davon schloß hastig die Haus thür auf und trat mit dem Andern ein. Zwei blieben vor der Thüre stehen. Ihrer Kleidung nach, so viel man bei winterlicher Sternennacht sehen konnte, schie nen sie den sogenannten Musch icks oder Leibeigene!' anzugehören. Flcmming und Olear wurden mit jeder Minute gespannter. Jetzt vernahmen sie das Geräusch von mühsam bewirkten Tritten, und kurz darauf tra ten jene beiden Männer mit einem Weibe heraus, dem sie den Mund mit Tüchern zuhielten. „Nun ist cs Zeit, Freund Olear und Du Conrad!" flüsterte hastig der ritterlich fühlende Flcmming, und ehe sich's jene Unholde versahen, standen diese Drei gezückten Schwerd- tes vor ihnen. Die feigen Muschicks entflohen schnell. Doch kühner, frecher waren die Andern. Sie ließen die Frauengestalt los und stürzten mit Dolchen auf ihre Gegner ein. Aber weder die Zahl noch das Recht liche der begangenen That konnte sie zum Siege füh ren. Schwer verwundet siel der Eine nieder, während der Andere, seinen Mantel zurücklassend, entfloh. Das Schwcrdtergcklirr hatte die übrigen Hausbewohner ge weckt. Eilig trat ein Mann mit einer Leuchte hinzu. Flemming's kühn strahlender Blick siel auf — Niehus und seine gerettete Tochter. Man trat in ein Zimmer. Der Schwervcrwundete ward hercingcbracht und Niehus wandte sich mit verach tungsvoller Empörung von seinem Anblicke hinweg,