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48? fortsetzen wollten. Crusius, der liebenswürdige Mensch, der gewandte und dennoch ränkelose Diplomat, der treueste Diener seines Fürsten, hatte den zweiten Ge sandten, Otto Brüggemann unwillig verlassen, da die ser auf einen noch langem Aufenthalt in Reval be stand und dem Souverain unerhebliche Dinge, als wichtige Vcrzögerungsgründe, berichtet haben wollte, worauf Crusius durchaus nicht einzugchcn Willens war. Sehr oft, fast bei jeder amtlichen Gelegenheit, sielen Disharmonien zwischen Beiden vor. Crusius empfand dies heute mehr als jemals. Auch Brügge mann war ergrimmt, daß sein Mille nicht gelten sollte. Im seidcnstoffenen Morgengcwande, mit wohl- gepudcrter Alongenperückc saß er, das Haupt in der Rechten, in einem prächtigen Lehnsessel. Die Stirne des länglichen Gesichts war gerunzelt, das graue, fun kelnde Auge, starrte unter matten Brauen auf den Boden, um den dünn beränderten Mund unter der riemlich breit zulaufenden Nase spielten bittertrübe Fal tenzüge. Da öffnete sich des Gemaches Thüre und hereintrat der Hofjunker Grünewald. „Ewr. Ercellenz gehorsamster Diener," sprach die ser fließend und mit devotem Lächeln — „aber Ihr seht wahrlich noch trüber aus, als der Hornung da draußen. Hat das gestrige Gelag Euch eine unruhige Nacht bewirkt?" ^as wohl nicht, lieber Junker, wir sind dessen ...derte nicht ohne arroganten Anstrich ,^.„2„.mann, während er die finsteren Züge etwas freundlicher zu machen sich bemühete und Grünewald einen Sessel vertraulich herbeizog. — „Bloß die lautere Uneinigkeit mit meinem Amtsgcnosscn Cruse, der durch aus mit Anfang März von hier abreisen will." „Verzeihet," entgegnete Grünewald, „ich dächte elbst, daß dies gerathen wäre" „Mit Nichten," siel der Gegner ein, „wer treibt ms denn so ungestüm? Warum sollen wir uns der :auhen Witterung Preis geben? Fürst Friedrich mag ourch herangezogene Gründe beschwichtigt, etwas länger auf die Resultate unserer Sendung warten, was liegt daran?" „Wohl wahr," sagte der Andere, schlau und lau schend — „aber es sind doch von Moskau Depeschen eingclaufen, in denen man meldet, daß wir dringend erwartet werden." — „Lächerlich. Wisset Ihr noch nicht so viel von un serem Amte, daß solche Dinge leere Höflichkcilsformen, oder noch besser, die verhülltesten Besorgnisse sind, wir möchten, bei längerem Verweilen, mit hiesiger, mächtiger Handelsstadt etwa Verträge gegen des Cza- ren Vortheil eingehen? Doch ich weiß, Ihr seid mir Freund, Ihr wisset, ich vermag noch manches für Eure Zukunft zu thun, rückt näher, Euch will ich sagen, was mich besonders noch auf länger hier fesselt: es ist leidige Liebe! die muß befriedigt werden, ehe ich von hinnen ziehe!" „Was würde Ew. Ercellenz wohl da im Wege stehen? Vielleicht kann ich mit meinen schwachen Dien sten etwas leisten. Bin ich Euch doch längst verpflich tet und zugethan. Aber wer würde Eure Hand zu- rückweiscn, wer frech Euch Schwierigkeiten machen?" „Welche rhörichte Fragen bktzinnt Ihr, Freund Grü- ncwald? Darf denn ich als Gesandter, an ein Ehe- bündniß denken? — Lieben, genießen will ich," sagte er leiser, vielleicht — später hcirathen. Des Acltcr- mann Niehus, jenes ehrsamen Kaufherrn Tochter, hat mir gestern Abend so brennende Liebe eingeflößt, daß ich fürder nicht ohne sie sein mag." „Thut mir leid, da werdet Ihr einen tüchtigen Rival bekommen" .... „Wer denn, wer, Grünewald?" ,,Se.' Wohledlen, den fürsichtig-getreuen Junker Paul Flemming;" crwiedcrte dieser, nur mühsam ein bitteres Gelächter unterdrückend." „Dacht ich's doch! den aufgeblasenen Narren, den flau migen Schulfuchs und wässerigen Minnesänger! War ich doch von Anfang dagegen, den unnützen Ge' ken mitzunehmen, aber der liebe Cruse erlangte abermals bei Friedrich. Ich Haffe den Thoren, wie den Tod. Hier soll er sein bluten an seiner Liebe tiefe Wunde. Besser noch, wenn er verblutet. Aber woher wißt Ihr das?" „Jmhof erzählte es mir gestern Abend, als ich schon auf inanem Lager war. Ich selbst bin dem Flcm- ming im Herzen bittergram und verlaßt Euch darauf, ich will ihm hier einen Schalksstrcich spielen" ..... Da erschien abermals Cruse und bald darauf der Rath Olearius, Thomas Welvil, Aberdeen, ein Schotte, Lyon Bernulli und noch mehrere zur Berathung gezo gene Männer. Grünewald mußte abtreten. Depeschen vom Herzog Friedrich waren so eben cingelaufen, die den Befehl erhielten, sobald als möglich nach Moskau aufzubrcchcn, und nach kurzen Berathungen wurden