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478 Ich stand jetzt an dem vcrhängnißvollen Glockcn- ringe der Hofpfortc. Zitternd langte meine Hand dar nach, aber wiederholt sank sie zurück, ohne die mich anmeldende Glocke in Bewegung gesetzt zu haben. Ich rccapitulirte meine Rede nochmals; nahm endlich, da sich die Thürc unmöglich von selbst aufthun konnte, meine ganze Energie zusammen und that einen herzhaften Zug am Glockenringe. Laut hörte ich die metallne Schelle wiedcrhallen; Hundegcbell ertönte und bald vernahm ich Fußtritte von innen; die verhängnißvolle Pforte that sich auf und vor mir stand ein kleines, blondgelocktes Mädchen, mit den freundlichsten Augen von der Welt. Ich erkundigte mich nicht ohne Zagen nach dem Herrn Pfarrer Burkhardt. Die Kleine nickte freundlich und sprach: „Papa sitzt in der Laube und studirt an der Pre digt auf Morgen." „Das Gottcrbarm," dachte ich bei mir, „nun will der auch noch predigen; wahrscheinlich langt der Herr Generalsuperintendent und das wohllöbliche Eon- sistorium auch noch an, um in Buchenheim zum Vier zehnten nach Trinitatis zu predigen." Die Kleine hatte mich indeß mit ihren klugen Aeuglein mit Aufmerksamkeit bemustert und nickte sehr freundlich mit dem Köpfchen. „Papa," fuhr sie mit liebenswürdiger Unschuld fort, „wird sich freuen, Sie hier zu sehen; wir haben Sic schon gestern erwartet." Es war rührend mit anzuhörcn. Die Worte des Kindes klangen so süß wie Engelstöne; adernder onnWns/cld^wuHtH Auen, ob meiner Ankunft, wie die Kleine vermeinte; auch war derjenige, den man schon gestern erwartet hatte, wohl schwerlich jener Da niel Leßmüller, der ich zu sein die Ehre hatte. „Du holde, liebenswürdige Unschuld," sprach ich zu mir, alS ich dem Lockenkopfe nach der Laube des Gartens folgte, wo der Papa an seiner Predigt studirte, „Kin der und Narren sagen zwar in der Regel die Wahr heit, aber an mir Unglückssobn werden selbst alle ge prüfte, bewährte Sprichwörter zu Schanden." Es war ein herrlicher Garten, in welchen mich die Kleine führte, er stand im schönsten Schmucke des Herbstes, überall fruchtbclastetc Obstbaume, deren Acste hie und da gestützt waren, und deren rothe Aepfel appetitlich zwischen der Laube herablcuchtetcn. Auf den wohlgehaltenen Beeten blühten zahllose Astern, Georginen und andere glänzende Herbstblumen. Bal samisch duftete die Reseda, die aromatische Spike und Salbey, womit die Beete und Rabatten eingefaßt waren. Die Laube, in welcher der Pfarrer Burkhardt studirte, war von einem brennenden Walde Sonnen blumen umgeben. „Ha, dieses Paradies!" sprach ich zu mir, der ich, wie im Traume, durch die blühenden Gange wan delte; „hier läßt sich's studircn, daS will ich glauben." Die kleine Blondine war jetzt vorausgchüpst und meldete mich bei Sr. Hochehrwürden. Dieselben tra ten mir auch sogleich aus der Laube entgegen. Das war ja ein charmanter Mann, der Pfarre» Burkhardt; von so wohlwollendem Aussehen, daß »nar sogleich Vertrauen fassen konnte. Mir siel bei seinen Anblicke ein ordentlicher Stein vom Herzen. Ich nannte jetzt meinen Rainen. Der Ehrwürdig breitete seine Hände aus und umarmte mich wie ei» Vater. Solchen Empfang hatte ich »nir nM wartet. Wie sollte das nur werden mit " Schwarzröckcn, die noch draußen in W umher irrten. „Sein Sie mir schönstens willkommen, nein lie ber, guter Freund!" begann der Alte; „ich hofte, Sie würden schon gestern eintrcffen. Hab' Ihre Predigt gelesen, mir aus dem Herzen gesprochen, brav ausge- sührt, Sic werden Morgen Ehre dainit cinlcgcn; freue mich selbst darauf." Hier »nuß ich zu näl- " «r^-ttöndniß erwäh» ^ . .-er von mir zu haireno^ digt, dem Pfarrer Burkhardt schon früher eingeschm. hatte. Ich gerielh daher in nicht geringes Erstaunen, als der ehrwürdige Mann, trotz den beiden Rivalen, die mir begegnet waren, und von denen, nach Aus sage der Bauernfrau, der Eine überdies wohlbestallter Bräutigam und der Schwiegersohn in spe des Pastors war, gleichwohl von der mir zugesagten Gastpredigt ain Vierzehnten nach Trinitatis anfing. Unfehlbar lag hier Jrrthum zum Grunde. Ich backte bei mir: Nun, die Sache wird sich bald lüften, sobald meine zwei Gegner ihre Morgenpromcnade geendet haken. Aengstlich lauschte »nein Ohr nach jcdmr Geklingel der Hofthürschellc; denn wenn der eine Schwarzrock, dem ich zuerst begegnete, seine Predigt im Kopfe halte, kehrte er unbestritten zurück; und bei dem Zweiten war unfehlbar dasselbe der Fall, sobald er geh in seine» nrs coneionunlli zu reckt gefunden hatte. Ich wagti nicht, dem Pfarrer »nein Reiseabenteuer »»egen der bei-