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»77 „Nicht wahr," ftug sic, „das ist eine schmucke Dirne? ja, jeder Mann hat seine Freude daran." „Ein Engel," siel ich begeistert ein, „aber wer ist sie, wie heißt sie?" „Verstelle Er sich nicht," lachte die Bauernfrau. „Er sieht mir nicht darnach aus, daß Er unsern braven Pfarrer nicht kennen sollte." „Gute Frau, Euern braven Pfarrer kenne ich wohl," antwortete ich, „aber" — Die Frau schlug lachend die Hände zusammen. „Und will sein Töchterlein nicht kennen," rief sie; „das ist zu spaßig, ha, ha, ha!" „Des Pfarrers Tochter?" frug ich, und mir ward seltsam zu Muthc, ich wußte selber nicht wie. „Nun, wer soll's denn anders gewesen sein?" frug die Frau; „freilich war es Louischen, des Pfarrers ältestes Tvchterlcin. Ist das nicht ein nettes Bräut- chen?" „Bräutchcn!" rief ich zähneklappernd; „wie denn, was denn Bräutchcn?" „Nun, die bald Frau werden soll," lachte die Bäuerin. , . „Aber um Himmelswillcn," rief ich in kläglichem Tone, ,mit wem ist sic denn Bräutchen?" „O, Er Schalk!" meinte die Bauernfrau, „hält Er mich für so dumm, daß ich nicht wüßte" — „Ich halte Sie im Geringsten nicht für dumm, liebe Frau," erwiedertc : „aber was weiß Sie denn?" "Ni^/ n'"-ae Ne. .ä Ihm ;a ar, daß er mich nur zum Besten haben will." Ich schwor hoch und theuer, daß dem durchaus nicht der Fall sei und daß sie sich doch näher erklären möchte. „I Potztausend! ich seh es Ihm ja an, Er ist ja selbst der Bräutigam von Jungfer Louischen." „Ich der Bräutigam?" „Nun, anders nicht; will Er nicht morgen gastpre- digcn?" - ,/Allerdngs, gute Frau, will ich morgen gastprc- digcn." „Darum ist Er auch der Bräutigam; denn der Morgen hier predigt, bekommt Louischen zur Frau." Ich riß jetzt wie rasend, den Brief des Pastor Burkhardt zum Dritlenmale hervor. Aber da schwamm Alles vor »reinen Augen, die Buchstaben liefen wie Ameisen durheinander. Doch zugleich entfiel das Pa pier meiner erstarrten Hand. Eine infernalische Leich tigkeit ging in meinem Innern aus. „Wenn der," dachte ich bei mir, „der Morgen hier gastprcdigt, sich zugleich eine Braut crpredigen soll, so bin ich's, trotz des Briefs des Pastor nicht, und einer von den feinen Schluckern, die im Feld um herlaufen, erhält die Braut und das Mädel." O, ich war außer mir vor Schmerzen und Ver zweiflung, und machte ein so desperates Gesicht, daß die Bäuerin die Hände überm Kopf zusammenschlug. „Schäm' Er sich," sprach sie ärgerlich, „ist das ein Bräutigamsgesicht? Was soll da einst aus dem Ehcmanne werden, und was wird Louischen sagen? -Nun, auf Wiedersehn, morgen in der Kirche, es wird gerüttelt voll und er wird seine Sachen gut machen." Mit diesen Worten nickte sic freundlich und ging ihres Wegs dahin. Meine Sachen gut machen, frug ich mich; die Frau hat gut reden. Ich bin zur erbaulichen Stunde hier angelangt. Ein solch Malheur kann nur mir pas- siren, dem das Brod stets auf die geschmierte Seite fällt. Du armer Daniel Lcßmüllcr, so bist Du denn hierher gekommen, um einen glücklichen Rivalen predi gen zu hören, und zu sehen, wie er unmittelbar nach der Predigt dem schönsten Mädchen, das ich je gesehen habe, als Bräutigam um den Hals fällt. Ich stand wiederum im Begriff, umzukehrcn, und dahin zurückzukehren, wo ich hergckommen war, als die Dorfglocke anmuthig zu läuten begann. Ich war von jeher ein großer Freund vom schönen Geläut, und so Hörle ich auch diesmal mit süßer Wehmuth den hei- Aber je langer ich lau,u ^, , ^ . sank in meine tiefbewegte Brust. Ich ward wÄ fromm und gottergeben. „Du sollst, sprach ich . mir, „als kurzsichtiger Adamssohn, mit den Wege einer weisen Vorsehung nicht rechten. Geh' getrost i die Pfarre und mache wenigstens Deine Aufwartun dem wackern Burkhardt. Mag cs dann werden, wi cs will, Du hast Deine Schuldigkeit gclhan und Dir keine Vorwürfe zu machen." Mit diesen Worten schritt ich langsam vorwärts und erreichte so endlich den Eingang zur Pfarrwoh- nung. Das Pfarrhaus konnte gar nicht niedlicher ge legen sein. Ueppig ranzten sich die Weinreben mit Trauben behängen an den Wänden empor. Selbst der Bogen des Hofthores war damit übersponnen. Rings umher athmete tiefer Frieden; nur die äußersten Zweige der alten Buchen bewegten sich kaum bemerk bar in der klaren Herbstlust.