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Besondere Ferman's empfahlen mich genügend an Mus- tapha, den Pascha von Salonichi, einen bei der Pforte sehr hochgestellten Mann und Günstling des Sultans. Ein armenischer Wechsler aus Constantinopel hatte mir auch einen Creditbrief an einen seiner Landsleute gege ben, der zu Mieleik, einem großen Marktflecken auf der Straße von Salonichi, wohnte. In der Türkei sind die Banken und Wechselstuben ein Monopol der Armenier. Ein Engländer, der einige Zeit lang in der Türkei gelebt hat, bringt nach London eine eben so genaue Kenntniß der armenischen Sitten, als hätte er in Asien selbst, in Erzerum und an den Ufern des Euphrat mehre Jahre zugcbracht. Als ich nach Mieleik kam, ließ ich mir augenblick lich das Haus Pascal's zeigen; so hieß nämlich der Armenier. Der Banquicr wollte Anfangs nicht meinen Besuch annchmcn, was mich ein wenig überraschte; allein, als er den Brief gelesen, den ich ihm übergeben ließ^ wurde er um Vieles milder und zeigte sich ganz liebenswürdig. Man führte mich ein. Ich fand in Pascal einen Mann, schon in reifen Jahren, von mc- .ancholischem, zerstreutem Wesen; zuweilen ließ er sich tiefe Seufzer entschlüpfen, und beherrschte so wenig sein Aeußeres, das einen geheim an ihm nagenden Gram zu verratben schien, daß ich seit meinem ersten Besuche nicht anders, als überzeugt sein konnte, ein Familicnunglück habe meinen Gastfrcund heimgcsucht. Auch war meine einleitende Unterredung mit ihm nichts, als eine Reihe von mehr oder weniger peinlichen Re densarten darüber, daß mein Besuch sehr lästig sein müsse. „Sie haben Recht und Sie haben Unrecht in Ihren Wermuthungen," erwicderte mir der Armenier mit der Kürze des orientalischen Styls; „meine Familie ist wohlauf und gesund, Gott sei Dank.' aber morgen muß mein Freund sterben" . . . Diese Antwort schien berechnet, um meine Touri- sten-Neugierde zu reizen, und ich zeigte sogleich in mei nen Worten und Mienen eine so ausgesprochene Sym pathie für das Unglück von Pascal's Freund, daß die ser nicht zauderte, mir auf das Genaueste die traurige Begebenheit zu erzählen, die sein aufrichtiges Herz so sehr bekümmerte. Im Januar 1838 fanden einige Kauflcute, die in kleinen Tagereisen von Mieleik nach Salonichi gingen, nicht weit von der erstercn dieser Städte, die Leichen von zwei Ermordeten; der Eine war augenscheinlich ein Mann von hohem Range, der Andere ein Tartar. Der Erste war ganz auS der Nähe mit der Pistole erschossen worden, und die Kugel war ihm durch die Brust gegangen; während der treue Tartar, der, wie es schien, seinen Herrn tapfer vcrtheidigen wollte, von zahlreichen Pataghanstichen durchbort war. Sie waren vollkommen ausgeplündert; nichts als den Fes und die Unterkleider hatte man ihnen am Leibe gelassen. Die Pferde der beiden Reiter, die man nicht weit von da frei mitten auf der Ebene sah. batten auch kein Ge- päcke mehr auf dem Rücken. Einer der Kaufleute sagte beim Anblick dieser Leichen zu seinem Reisegefährten: „Wenn wir auf dieser Straße weiter reisen, wird man uns in der Folge vielleicht des Mordes an diesen Leuten anklagcn, während, wenn wir mit diesen beiden Leichen nach Mieleik zurückkchren und das Verbrechen anzeigen, wir jedem ungerechten Verdacht entgehen." Man haschte nun die Pferde wieder, belud sie mit den Leichen ihrer ehemaligen Reiter und so zog die Trauercaravane in Mieleik ein, wo der Aga die Aus sagen der Kaufleute anhörte und die ermordeten Wan derer in der Hauptmoschee ausgestellt blieben, damit es vielleicht gelänge, ihre Namen zu cntvccken. Der Zufall wollte, daß Mustapha Pascha am selben Tage zu Salonichi erwartet wurde, und der Aga glaubte, vor der Ankunft seines Vorgesetzten keine Maaßregeln zur Entdeckung der Mörder treffen zu dürfen. Sobald Mustapha durch die Thore von Mie leik gezogen war, drang^as' Gerücht von der schreckli chen That an sein Ohtz, aber unter allen den Leuten, die sich in diesem Augenblick um ihn drängten, fand sich Niemand, der ihm die Namen der Erschlagenen nennen konnte, und Alles, was man wußte, war, daß die Leichen unter den Gewölben der Moschee vor allen Blicken ausgestellt seien. Mus über die Greuclthat, ritt bis an den he> vom Pferde und trat, von der Mensch tct, mit Andacht in die Moschee. In der Mitte des Tempels sah man die beiden Ermordeten liegen, auf Tapeten ausgcstreckt, das Ge sicht verschleiert und die Füße gegen Osten gewendet; sie lagen, Einer gegen den Andern, auf dem Rücken. Mustapha näherte sich langsam und senkte sich auf ein Knie nieder, um die Leichen besser anzusehen; plötzlich aber entfuhr ihm ein Schrei des Schreckens; er zerraufte seinen Bart, warf sich auf den Boden nieder und blieb, die Stirne gegen die Erde gewandt im bewegungslosen, schweigenden Schmerze liegen. Nach einer langen Pause, wahrend welcher ihn