Volltext Seite (XML)
16 roscnrother Winden, die auf ihrem Schooße verstreut lagen. Das einfache, schwarze Kleid, der bis an den Hals sittsam schließende Kragen verkündeten kein Mäd chen von hohem Stande, doch bewies die Zartheit und Weiße ihrer Hände, daß sie nicht durch Arbeit ihr Leben gewann; ein Reisemantel mit großem Kragen von gewöhnlichem Stoffe, ein Strohhut und ein leichter Wanderstab lagen neben ihr. „Woher kommst Du so allein, schöne Pilgcrin?" fragte Giovanni plötzlich hervortretend. Das junge Mädchen stand erschreckt auf und ant wortete mit bebender Stimmen „Herr, ich bin nicht allein, und komme von keiner Pilgerschaft." „In der That, Du hast weder den Faltcnrock noch Pilgcrstab. Reisest Du weit, schönes Kind?" „Ich gehe nach Avignon." „Ah, Du bist aus Avignon? Und welch' glück licher Zufall HK Dich hierher geführt?" „Ich kam von der Insel, wo einer unsrer Ver wandten wohnt; gestern Abend kam das Unwetter, und ich mußte Zurückbleiben. Jetzt habe ich die Rück reise angctreten. Gott befohlen, Herr!" Sie wollte sich entfernen, Giovanni hielt sie zurück. „Einen Augenblick, einen einzigen Augenblick," sprach er, „ich mochte wissen, wer Du bist; willst Du mir nicht Deinen Namen sagen?" heiße Alcli," antwortete sie in zögernder ma. i! dieser Name steht nicht im Römischen Ka lender; wer hat ihn Dir gegeben, mein süßer Engel?" „Es ist der spanische Name einer Blume, ich bin in Spanien geboren." — „Welch' herrliches Sinnbild! Ja, Du mußt eine Blume zur Patronin haben!, Dein Gesicht ist so lieb lich und frisch, wie die schönsten Kinder des Frühlings." Das junge Mädchen schien nicht ün Mindesten durch diese faden Schmeichelworte erregt; sie verneigte sich demüthig vor Don Giovanni und wollte sich entfernen. „Du würdigst mich keiner Antwort?" sprach er, sie zunrckhalteud; „für wen hältst Du mich? Habe ich das Aeußcre eines Abenteurers oder Glruksritters? Ich kenne diese Leute„ die nichts als ihr Barett und ihren Degen haben und allen jungen Mädchen den Hof machen. Aber ich, ich wiege etwas mehr: ich bin der vornehmste Manu der Grafschaft Venaissin, ich bin Giovanni de Carreto, der Neffe des Vicelegatcn." „Mein Herr," rief das junge Mädchen, von Staunen und Furcht ergriffen, „vergeben Sie, ich kenne die Ehrfurcht, welche ich Ihnen schuldig bin." „Wohl, wohl," unterbrach er sie, „setze Dich hier zu mir, schönes Kind. Du zitterst! was furchtest Du? Warum willst Du mich nicht hören, nicht mit mir sprechen? Ich, meines Thcils, würde gern mein Leben in dieser süßen Unterhaltung hinbringen." Sie fetzte sich bebend und verstört in einiger Ent fernung von Don Giovanni. Er betrachtete sie einen Augenblick schweigend, dann fuhr er fort: „Du bist schön und ich liebe Dich; Aleli, ich liebe Dich außerordentlich." „Sie scherzen, mein Herr," sagte sie. „Nein, nein, ich schwöre bei meiner Cavalicrehre, daß ich wahr gesprochen, habe." „Aber Sie kennen mich nicht," unterbrach sie ihn mit großem Erstaunen. „Ich kenne Dich, bin Dir schon begegnet, und suchte Dich, seitdem ich Dich zum Erstcnmale gesehen habe, ich suche noch immer " „Es ist unmöglich!" unterbrach sie ihn von Neuem» „Unmöglich! Wie so? Iw den Gaffen, in der Kirche habe ich Dich mehrmals gesehen» " Sie lächelte und machte eine kaum merkliche ver neinende Bewegung,, wie Jemand, dem man eine offen bare Lüge mittheilt. „ Ja," wiederholte der junge Eavalier feuriger,, „ ich liebe Dich und werde Dich Wiedersehen, das schwöre ich. Von diesem Augenblicke an folge ich Deinen Schrittew — —" Bei diesen Worten streckte er den Arm vor, um die beiden niedlichen Hände zu erfassen, welche das junge Mädchen bescheiden gekreuzt hielt, doch bei dieser Bewegung, erhob sie sich, ihre großen, schüchternen Augen belebten sich mit einem unaussprechlichen Aus druck, des Stolzes; Giovanni begriff mit eifersüchtiger Befriedigung, daß er der erste Mann sei, der also zu ihr zu sprechen gewagt., „Mein Herr," sprach das junge Mädchen nach einer augenblicklichen Pause, „cs wird spat, der Himmel sei mit Ihnen, ich muß abrciscn, man er wartet mich." Wirklich war ihre Ncisegelcgenheit schon auf dem Wege; nämlich ein großer Esel mit schwarzem, zottigem Haare, den ein alter Knecht am Zügel führte, eine bejahrte Magd folgte. Giovanni machte eine flehende Gebcrde. ,iStoße mich nicht zurück," sprach er mit sanfter