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245 „Am aclitcn Tage." „Er bot Dir sein Vermögen und seinen Namen an und verlangte Deine Hand?" „Ganz so. Wer hat Ihnen dies gesagt?" „Ich crralhe cs; ohne den Namen, Lord Sand patcr zu kennen, kannte ich ihn dem Ruse nach. Er ist Einer von den Spl een behafteten Schlaf, rn des Oberhauses, die regelmäßig beim Abstimmcn auf- wachen; übrigens, wie man mich versichert, ein tief sinniger Ge.st und geborener Gönner der Talente und > Künste. Die öffentliche Manie dieser Person ist, in «i der Nahe von Lagcsbcrühmlhcitcn sein schweigsames ' Leben hinzubringen, bei ihnen Platz und Zutritt zu ' haben, um sic zu sehen uno bei ihnen gesehen zu > werden. Seine geheime Manie aber besteht darin, daß s er eine Schauspielerin heirathcn will, damit sie ihn vom Spleen heile, und Du bist wenigstens schon die Zehnte, um die er geworben hat. Dies Alles ist im Grunde sehr unschuldig, wie D4l wohl gesehen haben wirst, und wir können, ohne weitere Folgen zu fürch ten, mit dem würdigen Lord unfern Scherz haben." „Mt diesem Menschen? guter Gott!" rief die Tän- / zcrin ans, die Hände faltend. „Dies erinnert mich eben, Laß ich noch erst mit Ihnen reden und Ihren Schutz gegen ihn in Anspruch nehmen muß" . . . „Meinen Schutz? . . . Hat er es etwa an Höf lichkeit oder achtungsvoller Zurückhaltung fehlen lassen?" , „Im Gcgcnlheil; aber er besitzt ein anderes Mittel, > mich zur Verzweiflung zu bringen, mich unglücklich zu a machen . . . mich bei langsamem Feuer zu rösten und mit Nadelstichen zu ermorden" . . . ^ „Wie so denn? gerechter Himmel!" „Indem er mir, einfach gesagt, die tägliche Pein z seiner ungemein drückenden Gesellschaft bereitet." „So, daß er Dich durch drückende Langeweile ! tödtet?" „Daß er mich tödtet. . . Sic haben es ausge sprochen! denn er ist tödtlich im höchsten Made .'. .. Und Sie würden nicht daran zweifeln, wenn Sie,^'wic ich,- in vicrundzmanzig Stunden ihn zwei oder drei Stunden besaßen . . . Sie wissen wohl, mein Freund, daß ich weder nervöser, noch reizbarer bin, als eine Andere; nun, sei es, daß diese Reizbarkeit zugenom- men hat, seit ich die Huldigungen des Lord Sand pater empfange, sei es, daß in diesem Menschen irgend eine einschläfernde, magnetische, siarrsuchtige Machr I liege, ich kann Sie versichern, daß wenn ich ihn alle Morgen und Abende, hier in der Loge vor mir und hinter mir habe, unbeweglich, wie eine Statue, und schweigsam, wie bemalte Leincwand, die großen Hände auf den Diamantcnknopf seines StockeS gestützt und seine cingeschlafencn Augen ewig auf mich gerichtet, daß mich dies in eine unüberwindbare Erstarrung und Betäubung versetzt, die früher oder später mit Kräm pfen oder Schlafsucht endigen würden . . . Endlich, weit entfernt, sich durch mich von seinem Spleen zu heilen, wie er hofft, wird Lord Sandpatcr vielmehr mir ihn unfehlbar mittheilcn." „Teufel! aber dies ist eine wichtige Sache," sagte Wcnsley, betroffen von der überzeugten Manie Ear- lotta's; „dann mußt Du Lord Sandpatcr nicht wieder sehen und ihm von heute an Deine Thüre verschlie ßen." „Dies Hab' ich ja eben meiner Kammerfrau befoh len; allein ich weiß nicht, ob sie damit zu Stande kommt; denn die Unternehmung ist nicht so leicht, als Sie glauben." „Nach der Zeichnung, die Du mir vorhin von sei nem Körperbau entworfen hast, ist Lord Sandpater nicht so fein, daß er etwa durch das Schlüsselloch schlüpfen könnte." „Er hat aber andere, eben so sichere Mittel, gegen die ich schon zehnmal scheiterte. Bald schmuggelt er sich in dem Augenblick ein, wo sich die Thüre für einen Anderen öffnet; bald gelangt er bis zu mir, wie eine Kanonenkugel, alle Hindernisse überspringend oder umstoßcnd. Ein anderes Mal verwandelt er sich in goldenen Regen, und ich habe keine Hüter gegen die sen neuen Jupiter . . . Halt, hier sehen Sie den Beweis," fuhr sie lebhaft fort, als das Ziehen an der Klingel des Hätels einen Besuch ankündigtc; „er ist cs, ganz gewiß. An meinen Dienern ist er, trotz ihrer Ordre, schon vorbei, und wer weiß, ob meine Frauen mich besser werden zu vertheidigen wissen?" „Bei Gott!" sagte Sir Francis, aufstehend, „dies ist denn doch zu stark, und wenn Du mir erlauben willst, selbst zu gehen" . . . „Was fällt Ihnen ein?" unterbrach ihn die Schau spielerin. „Mil einem britischen Lord so zu verfahren! Wir haben einen andern, passenderen Ausweg, wenn Lord Sandpater bis hieher gelangt. Bleiben Sie hier allein, während ich im nächsten Salon sein werde. Bei Ihnen wird er nicht bleiben, und sobald er das Zim mer verlassen hat, komme ich zurück" . . . Bei jedem andern Besuche wäre diese Kriegslist von Nutzen gewesen; aber Carlotta machte die Rechnung