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232 letzt der Militairsmann, als er sich an dem Erstaunen des Schneiders sattsam geweidet hatte. „Nicht übel, hoher Herr!" erwicdcrte der kleine Mann, ohne recht zu wissen, was er sagte, und mit Staunen den General anstarrend, der ihm freund schaftlich die Hand reichte. „Ah, so. Du hast also Dein Glück gemacht, daß Du gegen Deine alten Freunde den Stolzen spielst? Sich, eine Viertelstunde lang streck' ich Dir schon die Hand hin, und Du drückst mir sie nicht, sacrellleu!" „Um Vergebung, mein General, aber ich habe nicht die Ehre" .... „Ei was! machen Dich zehn Jahre so vergeßlich, daß Du Deinen besten Freund nicht erkennst, Deinen Wirthshauskameraden , den Du so oft mit einem Glas Wein und einem Corclette bewirthet hast . . . den fröh lichen Gardisten Francois — Joseph Lcfebvre? Komm', mein Alter, weg mit der Ucbcrraschung! Um arme mich. Weil man Herzog von Danzig und Mar schall von Frankreich ist, darum ist man doch nicht stolzer geworden, geh! ... Ich lade mich bei Dir zu einem Frühstück ein. Laß den besten Wein holen, zwei Cotelettes; oder lieber vier, das wird nicht schaden, cs lebe die Lustigkeit! Wir wollen auf die Zeit un serer Jugend trinken, und morgen dinirst Du bei mir, in meinem Palastc, mit meinem Weibe, der Fräst Herzogin, die darum nicht stolzer und nicht schlech ter ist, und die sich noch gar wohl erinnert, wie sie als Marketenderin die Feldflasche auf der Schulter trug." Nun denkt euch die Freude, die Rührung des Vater Molin. Ec lachte, weinte, umarmte den Mar schall, drückte ihm die Hand, schrie zu seinen Jungen: „Das ist mein Freund Francois!" und gab ihnen hun dert entgegengesetzte Befehle wegen des Frühstücks. Der Herzog von Danzig lehnte, fast eben so be wegt, an dem viereckigen Pfeiler des Schwibbogens, als er sich seinerseits auf die Schulter klopfen fühlte. Er wandte sich um . . . Sein Erstaunen und seine Bewegung glichen wenigstens dem Erstaunen und der Bewegung, von der Vater Molin eine Weile vorher so sonderbare Beweise geliefert hatte. Ec crröthcte, nahm achtungsvoll seinen Hut all und stammelte einige Worte, die eine Gcbehrde des neu Angckommencn sogleich unterbrach. „Marschall," sagte er, „ich habe meine Börse ver gessen, oder vielmehr mir stehlen lassen. Ich gehe in ein Kaffeehaus, um zu frühstücken, und wie ich zah len soll, finde ich, daß ich kein Geld bei mir habe. Ich weiß nicht, wie ich mir aus der Verlegenheit ge- ^ Holsen hatte, hatte ich Sic nicht von Weitem gesehn. Zahlen Sie meine Schuld diesem Kellner, der mich beglei tet, und geben Sic ihm ein Napoleond'or Trinkgeld." Derjenige, der so mit dem Marschall sprach, war ein Mann von mittlerer Gestalt, und dessen blauer Ueberrock und runder Hut, vermöge ihrer altvaterischen Form und ihres alterschwachcn Zustandes, eher auf Armulh schließen lassen konnten, als die Freigebigkeit, ^ mit der er den Kaffeehauskellncr beschenkte. Als der »I Mann mit der Schürze bezahlt war, nahm der Fremde > den Marschall unter den Arm und führte ihn ohne I weitere Umstände fort. Bestürzt, seinen erlauchten Gast sich entfernen zu hi sehen, lies der Vater Molin dem Marschall sogleich nach. »I „Und unser Frühstück," srug er, „und unser Früh-« ! stück, Franz?" Der Herzog von Danzig trug ihm durch einen'! gehcimnißvollcn Wink Stillschweigen auf und folgte dem Unbekannten, mit welchem er bald hinter den Ar kaden verschwand. Während der Schneider in seinen Laden zurück- ' kehrte und nicht wenig von der bösen Laune, die ihn l quälte, auf seine Handlungsdicner fallen ließ, < ' der Marschall mit seinem Gefährten das Palais Nor>H und stieg in einen Fiacrc. „Du standest mir eben zur rechten Zeit an jenem Orte; ohne Dich wäre ich vermuthlich auf die Wache geführt worden, weil ich ein Frühstück habe erprellen wollen." „Wenn man Sic je so beleidigte!" . . . „Ich muß, wie jeder Andere, mein Frühstück zah len, und hatte nicht einmal einen Franc in der Ta sche. Was dabei noch das Lustigste ist, dieses Papier, das ich in der Hand halte, ist eine Anweisung auf die Schatzkammer, eine Anweisung von hunderttausend Thalcrn . . . Aber Du wirst mir doch zugeben, daß ich in nicht wechseln konnte, um vier Francs und fünfzig Eentims zu zahlen." „Eine Anweisung von dreihunderttauscnd Francs?" „Ja, cs ist ein Geschenk, das ich einem meiner Freunde, einem Gelehrten, bringe." „Einem Gelehrten?" schrie Lcfebvre, „einem Gelehr ten dreihunderttauscnd Francs! Und was wird er mit einer solchen Summe anfangen? Damit hätte man dreihundert alte, arme Soldaten für ihr ganzes Leben lang glücklich machen können."