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220 gefunden; zu zwei verschiedenen Malen hatte der Graf den Karneval in Venedig besucht, und jedes Mal hielt er große Tafel und verschwendete Summen Geldes. Daher blickten diese Mädchen, den Oberleib über die Gondel herausgebcugt, mit gierigen Augen auf den Grafen, der jedoch mit seiner Hcirathsfahrt zu beschäf tigt war, um ihnen einige Aufmerksamkeit zu schenken. Das Gesicht des Grafen überraschte gleich beim ersten Anblick durch einen gewissen Ausdruck hochmüthiger, finsterer Leidenschaft, man glaubte, eines jener Por- traits des furchtbaren Philipp II. zu sehen, die aus dem dunklen Gemäldegrunde hervor den Beschauer mit Schrecken erfüllen. Bogenförmig gekrümmte Brauen, ein durchdringender, frostiger Blick, ein blasses Gesicht und die Statur eines Riesen, dieses waren die körper lichen Reize des edlen Grafen Savclli; aber er besaß da für ein Vermögen, das ihn in den Stand setzte, acht Jahre hindurch allein die Girobank zu halten, und die Schatzkammer Venedigs bereicherte sich um viele Edel- stcinringc, die er ihr schenkte. Herausgcputzt mit einer Menge von Bändern, die in großen Haufen auf seiner linken Schulter, seinem Degengriffe und seinen Strumpfhaltern flatterten, trug der Graf Savelli, der vor Allem in die französischen Moden vernarrt war, ein prachtvolles Gewand ä In Louis XIV., das in einigen Punkten nur mehr der damaligen Pariser Mode gemäß verändert war, ein Spazierstöckchcn mit Korallenquastcn und Diamanten vom schönsten Wasser an den Fingern. Die Enge der Kanäle und die Menge der Gondeln, durch welche der Graf sich hatte drängen müssen, hatte nicht ein Stäub chen von der Ausstafsirung und dem guten Ausschn seiner Truppe verdorben, als er gegenüber der Kirche des heiligen Jeremias, vor dem Palaste Pamphili, aus dem Kanäle hcrvorkam. Unter den Zuschauern, die auf dem Quai hin- und herströmten, um sich am'Anblick dieses Festzuges zu weiden, war das Gesicht des jungen Malers Gon zaga gewi^unter tausend andern hervorstechend. Gon zaga kam Äcn von Murano zurück, wobin einige Bestellungen ihn gerufen hatten. Er schien erstaunt über das, was er sah, und noch mehr über das, was man ihm erzählte. Plötzlich floh er mit einem Schrei aus dem Gedränge und stürzte vom Quai Rialto mitten durch die Stadt fort. Glücklicherweise wurde ein so plötzliches Verschwin den während des feierlichsten der Augenblicke keiner mo ralischen Prüfung unterworfen, sonst wäre wohl Gon zaga auf diesen einzigen Anklagepunkt hin als der größte Narr, oder der größte Verliebte aller Sterbli chen erklärt und verurlheilt worden. Nach seinen ver drehten und tausendfach zerrissenen Handkrausen zu schließen, konnte man glauben, er habe sich mit irgend einem wüthenden Bullenbeißer hcrumgcschlagen, und dennoch hatte der arme Gonzaga nur mit sich selbst ge kämpft. Gewiß mußte ihn grausames Weh und furcht bare Verzweiflung treiben, denn in einem dunklen Gäßchcn des St. Bartholomäusplatzes trat er in den Laden eines Apothekers und verlangte von ihm einige Tropfen aus der Phiole mit dem röthlichen Wasser, das er verfertigte. Der Apotheker, ein von Natur furchtsamer Alter, berief sich auf die Polizeivcrordnun- gen und gab ihm eine abschlägige Antwort; unlängst hatte er auch ein Fläschchen mit Hgun tott'an» einem Paduancr, einem Fremden, verkauft, dem Grafen Marco Savelli, einem ausgezeichneten Alchymistcn, wie er sagte, der ihm das Fläschchen mi auf wog, und den Tag darauf kam es, Got daß die Buhlerin Bagata, als sie vom L in die Gondel des Grafen Savclli stieg, te,. „ den siel. Die Polizei von Venedig hatte bei dem Apo theker nun eine kleine Haussuchung vorgenommen. Zum Glück wollte der Himmel, daß er einen Vetter beim Gericht der Vierzig hatte, und dies erwirkte ihm die Freisprechung. Aber seitdem hatte er blos unschädliche Wässerchen in seinem Laden und hütete sich, mit der Justiz etwas zu thun zu haben. „Der Graf Marco Savelli selbst, mein Herr, dürste mir im Fall einer solchen Forderung mit einem Hau fen von jenem Peruanischen Safran ') die Pfote schmieren; doch möchte ich lieber den Rest meiner Lag? mich, wie ein Eichhörnchen, im Käsig der Chcbba drehen, als ... Gift verabreicht man nur dem Me diziner, das ist die Regel." „Auch das ist die Regel, daß eine edle Seele ster ben muß!" murmelte Gonzaga schmerzlich. Zum großen Erstaunen des Apothekers griff Gon zaga darauf nach einem Messer, das auf dem Tische lag ... Er wollte sich den Todesstoß geben, als der Herr der Ofsi'cin ihn aufhielt. „Was thut Ihr da, beim heiligen Theodor! un glücklicher, junger Mann? Weil ich, Dank der Jn- ciuisition und den geheimen Anklagen, kein Gift mehr verlause, müßt Ihr Euerem Leben mit dem Stahl ein ») Gold.