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201 der Sache nicht aussctzen würde. Don Diego war der Ansicht, daß sein Wetter nicht nach Hause gehn sollte, und, um Lazarilla's Sicherheit zu vermehren, eine Reise auf drei Tage vorgcben möchte. „Schreiben Sie ihr," fügte Don Diego hinzu, daß Sie mit mir nach Dean a abreisen, weil unsere Tante, Donna Maria, sehr krank sei. Es ist ein abgenutztes Mittel, allein was thut's? Sie wird Ihnen glauben." Don Manuel war gezwungen, einzugestchcn, daß er an Lazarilla nicht schreiben dürfe, weil sie nicht lesen konnte. „Ich werde Pepo schicken," sagte er, „er ist mir sehr ergeben, und überdies will ich sein Schweigen gut bezahlen." „Es sei," sagte Don Diego; „es ist eilf Uhr, schicken Sic sogleich." „Es hat keine Eile," antwortete Don Manuel mit Bitterkeit; „sie verläßt den Pavillon oft erst um Mitternacht." Als Pepo in das Hotel kam, um seine Pflicht zu erfüllen, sagte ihm die Duenna, daß ihre Gebieterin in ihrem Zimmer sei. Der Majo trat leise ein und blieb an der Thüre stehn. Lazarilla saß ruhig an einem kleinen Tisch; — sie zählte und verschloß in einem alten ledernen Sack kleine Münze, die sie auf dem Teppick ausgebreitct hatte. Bei dem Geräusch, was Pepo machte, erhob sie den Kopf und beeilte sich, den Sack in ein Schub fach zu verbergen. „Gnädige Frau," sagte Pepo, indem er seinen fal schen und durchdringenden Blick auf Lazarilla richtete, „Se. Herrlichkeit schickt mich, Sie davon in Kenntniß zu setzen, daß derselbe mit Don Diego Vasconcellos nach Ocana abgereist ist, da die Tante derselben, Donna Maria, tödtlich krank ist. Se. Herrlichkeit wird erst übermorgen zurückkehren." Lazarilla schien ein wenig verwundert, aber sie be zeugte weder Freude noch Bctrübniß über diese schnelle Abreise. „Warum hat Dein Gebieter Dich nicht mitgenom men?" fragte sie. „Weil der alte Noqucs ihn begleitet." Bei diesen Worten erröthete Lazarilla leicht und rief: „Das ist sonderbar, daß Roqucs so, ohne ein Wort zu sagen, abreist! Als ich den Garten verließ, fand ich ihn nicht mehr, und Niemand konnte mir sagen, was aus ihm geworden sei." „Der gute Mann hat ein kurzes Eedächtniß," sagte Pepo mit gleichgültiger Miene; „hätte er nur ein wenig Kopf, so würde er die gnädige Frau benachrichtiget haben, daß Se. Herrlichkeit ihm besohlen hatte, diesen Abend zu Don Diego Vasconcellos zu gehen und Nach richt einzuholen über das Befinden von Donna Maria. Er kam dann in die Oper, um Sc. Herrlichkeit zu benachrichtigen: daß, wollte derselbe seine achtbare Tante noch einmal sehen, sogleich abgereist werden müßte." „Es ist gut, ich verstehe," sagte Lazarilla, indem sie sich in ihren Sessel schmiegte. „Ehe ich mich nie- derlcgc, werde ich einen Rosenkranz für die glückliche Reise und baldige Wiederkehr Sr. Herrlichkeit beten. Pepo, sage Ritta, daß sie hereinkommt. Ach, ich bin müde!" Das Kammermädchen war in dem Saale, wo sie Alles gehört hatte. „Freund Pepo," sagte sie, „da Se. Herrlichkeit Dich hier gelassen hat, so wollen wir morgen Abend große Gala machen." „Große Gala?" sagte Pepo. „Gute Nacht, Ritta." Den folgenden Tag, während der Abendämmcrung, hielten sich drei Männer im Hinterhalt hinter der klei nen Thüre der Barfüßermönchc. Es ging Niemand durch die einsame Straße, die auf der einen Seile ihrer ganzen Länge nach, durch die Mauern einiger Gärten begränzt war. „Sie hat zeitig gespeist," sagte der Majo, „und gegen Abend kam der Water Miguel; es war sichtbar, daß dieser Besuch sie störte; endlich ging Se. Ehrwür- den und sie eilte sogleich in den Garten, indem sie uns für den Abend frei gab; sie hat sogar zu Ritta gesagt, wir könnten ausgehn." „Still!!!" sagte Don Manuel, indem er sich vor dem Majo stellte, „da kommt sie!" Die kleine Pforte des Gartens öffnete sich und eine Frau kam allein heraus; auf dem ersten Blick schien es unmöglich, Lazarilla unter dem weiten, schwarzen Mantel, der sie verhüllte, zu erkennen. Dennoch täuschte sich Don Manuel nicht. Sie verschloß die Thüre, und nachdem sie sich versichert Halle, daß Nie mand in der Nähe sei, entfernte sie sich schnell. Don Manuel folgte ihr von Weitem mit seinem Verwanden. Pep» blieb zurück. Sic durcheilte mehre Gassen; endlich hielt sie ihre Schritte an und ging ruhig auf dem Prado. Einmal bemerkte Don Ma nuel, schäumend vor Wuth, daß sie einem Mann an- rcdcte; aber einen Augenblick nachher trennten sie sick,