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Und himmelvolllächclnd führten sie den Seligen wieder durch Blumen und Morgenrot!) dahin gen Mor gen, wo roscnrothe Wolken den Aufgang einer himm lischen Sonne verkündeten. . Unterdeß irrte der arme Heinrich in der Angst sei nes Herzens noch immer in Sturm und Finsterniß und ließ den Namen Gotthöld wiederholt durch die Nacht ertönen. Nur der Sturm gab ihm Antwort, und vergebens war sein Suchen nach dem geliebten Diener des Herrn. Da durchzuckte ihn plötzlich der himmlische Gedanke, wie wenn Gotthold Hohenstädt erreicht und das Haus des Vaters gefunden hätte. Der Gedanke ward ihm bald zur seligen Gewißheit. Er bemühte sich daher, die Richtung gen Hohenstädt wieder zu finden und erreichte nach unglaublicher An strengung glücklich das Dorf. Als er in das Gemach seines Vaters trat, saß dieser aufgcrichtct im Belte und betete laut und freudig. ' „O mein Sohn," rief er, als er seinen Heinrich gewahrte, „wie danke ich Dir, daß Du mir den Gott hold geschickt, der mich so himmlisch getröstet und den Himmel erschlossen hat durch seine heilige Rede!" „War denn Gotthold hier?" frug Heinrich und ihm ward so wundersam, wie er nie gefühlt. „Er war es, mein Sohn," antwortete der Kranke, „und auch die fromme Elisabeth war bei ihm und die schöne Marianne und der blonde Reinhold, die ich alle so lange nicht gesehen." Heinrich faltete unwillkührlich die Hände; der alte Vater fuhr fort: „Leb wohl, mein Sohn, bleib fromm und gut. Ich gehe jetzt zu meinem himmlischen Vater — leb wohl, leb wohl!" Mit diesen Worten sank er zurück — er war nicht mehr. Der Jüngling aber kniete nieder am Bette und betete, so innig, wie er nie gebetet hatte in seinem Leben. Als das Morgenroth des Neuenjahres hinter den Bergen emporstieg, hatte sich der Sturm gelegt und die New'hrssonne beschien eine große, weite Schnee fläche. Die Glocken in Gotthold's Dorfe riefen verge bens zur Frühkirche; Niemand dachte daran, denn die ganze Bewohnerschaft war ausgezogen nach dem ge liebten Seelsorger, der nicht wieder heimgckehrt war von seinem nächtlichen Gange. Endlich, nach langem Suchen, fand man ihn. Still lag der Edle auf Schnee gebettet, die Hände gefaltet, wie im sanftesten Schlum mer. Der Engel des Todes hatte ihn mit seiner lei sesten Hand berührt, und das heiter lächelnde Antlitz zeigte, daß der fromme Diener des Herrn mit Freu den cingegangcn war in die Wohnungen seines himm lischen Vaters. Als der Frühling gekommen, zeichnete sich auf dem Kirchhofe des Dorfs vor allen ein Grab aus durch die vielen Blumen und Kränze, womit es geschmückt war. Darauf erhob sich einfaches Kreuz mit den Schlußworten der letzten Predigt des hier Ruhenden; sie lauteten: „Selig, die da reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen!" Ferd. Stolle. Vani na von D o n i s. (Nach dem Französischen.) I. Zur Zeit, wo die Grafschaft Venaissin einen Thcil des Kirchenstaates ausmachte, repräsentirte ein ^ice-Legat zu Avignon die päpstliche Würde. Er bcssß sehr ausgedehnte Vollmachten und fast souvcraine Rechte; übrigens hatte die Stadt noch ziemliche Privi legien ; sie konnte, rücksichtlich der Verordnungen, welch' ihre Freiheiten cinschränklen, an den Römischen Ge richtshof appellircn, und die beiden Consuln, welche man jährlich erwählte, hielten die allgemeinen Interes sen kräftig aufrecht. Aber bei dem Gcgcnübcrstchcn so verschiedenartiger Behörden, war das Privatrccht nur wenig gesichert, und oft lastete der Despotismus der Vice-Legaten schwer auf dem Adel und der Bür gerschaft des Landes. Die niedere Volksklasse, auf welche man nicht achtete, befand sich am Besten, und da man ihr das Brod nicht allzuthcuer ver kaufte, und sie oft den Anblick schöner Proccssionen hatte, hielt sic s ch ruhig und stimmte gern in ein Le behoch vor dem Hause des Vice-Legaten. Zu Anfang des scchszehntcn Jahrhunderts beherrschte ein edler Mailänder, Namens Orlando de Ear-