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151 Da sic stchcn blicb, so fügte der Wirth hinzu, in dem er sic auf ein altes Tabourct niederdrückte: „Setze Dich, Lazarilla, Sc. Herrlichkeit bcsichlt cs." Sie setzte sich ganz verwirrt auf den Rand des Tabourcts; Don Manuel nahm den Armstuhl ein und Pedro Badillo blicb mit der Fackel in der Hand stehen. Der Offizier fragte sich, ob diese seltene Schönheit, die er in diesem Loche fand, dieselbe Bettlerin sei, die er den Beleidigungen des Don Antonio Colosia y Eam- pillo entzogen hatte? er stand an, sie als dieselbe wie der zu erkennen. Ein Monat, wo sie cingcschlossen war, hatte sie wunderbar verändert; ihr Leint, durch die Sonne gebräunt, hatte wieder eine liebliche Weiße ang^ l mimen; ihre langen Haare, anstatt unordentlich in das Gesicht hincinzuhängcn, bildeten auf ihrer ju- gendüchcn Stirne eine anmulhigc Krone, und ihre fei nen und reizvollen Züge, die nicht mehr von einer zer lumpten Bedeckung verhüllt wurden, halten sich durch einen unaussprechlichen Ausdruck der Ruhe und der Melancholie verschönert. Ein Kleid von Serge, sau- bei genug, ließ ihre volle und leichte Gestalt sich gel tend machen. „Mein Kind," sagte er endlich, indem er einen Beick auf den Arm warf, den Lazarilla noch immer in der Binde trug, „es wäre beinahe ein großes Un glück geschehen, und obgleich cs meinerseits absichtslos war, so würde ich mich doch nicht darüber getröstet haben. Doch bist Du nun durch die Gnade Gottes bald geheilt." „Und durch die Sorgfalt Ihres Dieners," unter- i -ch ihn Pedro Badillo. „Ich war Barbier, ehe ich ein Caffechaus hielt, und ich erinnere mich noch ein wenig meines allen Handwerks. Fragen Sie die Kleine. Seit gestern habe rch sie in der Wiedcrgcncsung er klärt, und von jetzt an in einem Monat, kann sie mit ihrem Arm machen, was sie will." „Ach, wie gut Sie sind, gnädiger Herr," rief La zarilla, mit Thränen in den Augen; „einen Monat noch, das ist zu viel. Ich fühle mich schon geheilt . . . ich bin im Stande, mein armes Dasein zu erhalten." „Das ist's! das ist's! Bringe Dich um, um nur einen Monat früher auszugehcn," sagte der Wirth. „Gnädiger Herr, sie will nur an das Thor San- Francisco zurückkehrcn, um sich da täglich die aus- gcstrcckre Hand zu erkälten." iDic Fortsetzung fotgt.) Die Langeweile. Eine alltürkifchc und eine ncufranzösische Geschichte, von Eugene Guinot. Wenn Nero, Caligula, Tibcrius, Hclio- gabalus und so viele Andere grausame Tyrannen waren, so muß man sich nur an die Langeweile, als die eigentliche Ursache halten . . . Die Langeweile ist der schrecklichste Rathgcbcr der Könige; gute Fürsten sind Jene, die sich nie langweilten; darum kann man ihrer so wenige zählen; denn die Tugenden, die vom Herzen stammen, sind leichter und allgemeiner, als jene, deren Quelle im Charakter und im Geiste zu suchen ist. Eine fortwährende gute Laune wäre an einem Könige die kostbarste Eigenschaft und eine un fehlbare Garantie für das Glück seines Volkes. Die besten, königlichen Naturen sind fast Alle mehr oder weniger durch die Langeweile verdorben worden, und wenn cs so wenige fleckenlose Regierungen gibt, so ist es, weil man selbst im größten Glücke nicht immer dieser ekelhaften Krankheit ausweichcn kann, die einen so är gerlichen Einfluß aus einen souvcraincn Willen ausübt. Sultan Achmct Hl. war ein vollkommen guter Fürst, voll souveraincr Liebenswürdigkeit, und so sanfl- mülhig, als man nur auf dem otlomannischcn Throne sein kann; aber der Sultan Achmet, obgleich sehr geis reich in Erfindung von Unterhaltungen, langweilte siey doch manchmal. Er ließ, zum Beispiel, mehre Tau sende von Zeisigen und Nachtigallen in der Musik un terrichten, so daß sic auf ein gegebenes Zeichen die anmuthigsten und gelehrtesten Symphonien ausführten. Jeden Tag versammelte sich der ottomannische Hof in einer mit Käsigen auStapezierten Gallcrie, und kostete die Genüsse eines Bogelconzcrtcs, das gewöhnlich drei Stunden dauerte. Aber dieses Berznügen, verbunden mit den Regicrungssorgen und den Erholungen im Serail, ließ dennoch sehr oft noch eine Lücke in dem Leben Achmet's. Eines Tages, und zwar in einem jener langweiligen Augenblicke, wandelte der Sultan mit langsamen Schritten durch die Alleen seines Gar tens, in Begleitung seines Veziers Mohamcd, der ihn umsonst durch heitere Gespräche und angenehme Schmeicheleien zu zerstreuen suchte. Die Stirne des Sultans blieb voll Falten, und der Vezier, von un nützen Anstrengungen müde, siel endlich selbst in jene finstere und schweigsame Niedergeschlagenheit, in die sein Herr versenkt war. Die Langeweile ist ansteckend.