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142 begehen; doch die ganze Welt wird zu meiner Recktfcr- tigung wissen, daß ich dem Verderben Ihres Thrones nicht zuschen wollte, nachdem ich so viclmal für ihn meinen Kopf gewagt." — Wahrend der Kardinal diese Worte hcrausdonncrte, öffnete sich die Thürc und wer trat ein? — die Köni gin. Marie erbleichte, wie der Verbrecher beim Anblick des Henkers, der ihn zum Tode fuhren soll. Die Königin crrieth aus dem Zorne des Kardinals, daß er schwierigen Widerstand gefunden hatte. „Ich sagte cs Ihnen wohl, daß sie ihn nicht liebt," sprach die Königin, auf Marie deutend, „nur der Ehr geiz beseelt sie. Müßte man sich sonst herablassen, für das Interesse des Königs, für ihr eignes Wohl vielleicht bei ihr zu betteln? Wäre ihre Liebe so auf richtig, als der König glaubt, so könnte sic ihn unmög lich der Reue aussctzen, das Unglück seiner Unterthanen gewollt zu haben, undankbar gegen Sie, ein Barbar gegen mich und ein Vcrräthcr an seiner Krone gewe sen zu sein. Nun ist Alles vorbei, sie hat alle edlen Empfindungen seines Herzens vernichtet, er kennt seine Pflichten nicht mehr, er flicht und verabscheut seine Mutter." — „O Madame, hören Sie auf so zu lästern," sagte der König mit erregter Stimme, „ich Sie hassen! Wann hätte ich Ihrer Zärtlichkeit, Ihres Mitleids mehr bedurft. Ach! haben Sic mir das Leben blos geschenkt, um mich so unglücklich zu machen?" — „Eingebildetes Unglück!" unterbrach ihn die Köni gin , „Du wirst über dieses Unglück in einem halben Jahre erröthen; ja, wenn der Verstand Dir zurückkehrt, so wirst,Du selbst an die Verblendung nicht glauben wollen, die Dich an den Rand des Abgrunds führt; Du wirst zweifeln, ob Du im Stande warst, einer Grille wegen die Sicherheit des Staats und das Leben Deiner Mutter auf das Spiel zu setzen; denn ich fühle eS, ich überlebe diese Schmach nicht und .... der Himmel wird mir.... die Gnade " Sic konnte nich? ausredcn; vom Zorne überwäl tigt sank sie auf einen Sessel neben dem Sopha, wo der Kardinal^ich umsonst bemühte, seine heftigen Schmerzen zst überwchdcn und sich aufzurichten. Der König wirft sich seiner halbohnmächtigen Mut ter zu Füßen, bittet sie um Verzeihung uyd verspricht Alles, damit sie nur lebe; der Gedanke, daß er ein Mörder an seiner Mutter werden könnte, triumphirt über alle andern; seine Liebesverzweiflung weicht der erschreckten kindlichen Liebe; er glaubt seine Mutter schon sterben zu sehen und zittert vor Gewissensangst. In diesem Augenblicke tritt der Abbe Fouquct herein, um von Seiten der Frau von Venclla Sr. Eminenz zu berichten, daß Alles zur Abreise der Fräu lein von Mancini bereit sei. „Wohlan, fasse Muth," sagte der Kardinal zu sei ner Nichte, „und sei eine Retterin für uns Alle." Bei diesen Worten erhebt sich Marie, wirft ei nen stolzen Blick auf die Königin und geht auf die Thür zu. „Halt!" ruft der König, Marien nachstürzcnd; dann führt er sie zu seiner Mutter und spricht mit er stickter Simme: „Haben Sie Callais vergessen und jene vcrhängnißvolle Nacht, wo Sie selbst Marie an- flehtcn, durch ihre Pflege mich am Leben zu erhalten? Wollen Sie ihr die Schuld unsrer Dankbarkeit mit Verbannung und Verzweiflung zahlen? O, meine Mutter, seien Sie nickt so grausam, lassen Sic sie nicht reisen!" „Ich will cs ja nicht, die Nothwendigkeit befiehlt cs," antwortete die Königin; „wir haben keine Bedenk zeit mehr: Pimente! ist da und verlangt ihre Ent fernung im Namen des Königs von Spanien; es han delt sich um das Schicksal Frankreichs, Du mußt zwi schen Liebe und Ehre, zwischen dem Fluch und der Treue Deiner Unterthanen, kurz, zwischen ihrer Ent fernung und meinem Tode wählen!" setzte sie mit dem Tonender Verzweiflung hinzu. Dcr König, dessen Herz durch so verschiedenartige Empfindungen auf die Folter gespannt ward, zerschmolz in Thränen. Ohne Kraft, den Drohungen seiner Mutter, dcr Verzweiflung Mariens zu widerstehen, unterlag er dem Uebcrmaßc seiner Qualen; Marie sah ihn mit lrocknem Auge an, ihre blassen Lippen zitterten, sie las in den Thränen, die sein Antlitz bade ten, und sprach mit herzzerreißender Stimme: „Sie sind König! Sie weinen! Ich gehe!" Das Schluchzen des Königs war die einzige Er wiederung auf diese Worte. Druck von E. P. Mclzer in Leipzig.