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140 „Seid außer Sorgen, ich nehme Alles über mich. Ich will es schon sagen, daß man mich hätte morden müssen, wenn man mich verhindern wollte, cinzutretcn." „Aber mein Gott! mein Gott! was machen Sie?" stöhnte der arme Mann in der schrecklichsten Angst, als er Fraulein von Mancini die Thür aufschlicßen sah. Jetzt aber rief ihr der König entgegen: „Sie sind's? Marie! kommen Sie, kommen Sie, helfen Sie mir ihn überführen!" — und nun beruhigte sich auch der geängstigte und zitternde Thürsteher. Als Marie den König flehend und mit thräncnvol- len Augen dastehen sah, mochte sie der süßen Rüh rung fast erliegen, die jetzt auf einmal alle Qualen einer peinlichen Ungewißheit verdrängte. Sie wagte es nicht, sich dem Sitze zu nähern, auf dem ihr Oheim ruhete; denn mit ihrem Glücke hatte sich auch ihre Schüchternheit wieder eingestellt. Was sollte sie nun auch sagen, da der König für sie sprach? „Ja, Marie," Hub jetzt der Cardinal an, „kommen Sic, treten Sie mir bei, und helfen Sie mir den König auf vernünftige Gedanken bringen, damit er sich den Ruhm seiner Krone und die Liebe seiner Un tergebenen bewahre. Nehmen Sie einem Volke, daß sich kaum von seinen Meutereien erholt hat, den Glau ben, daß cs einer thörichtcn Leidenschaft geopfert wird, und daß Sie, die Nichte des Ministers, der selbst die Friedenstractate vorgeschriebe», daß Sie das alleinige Hinderniß einem Glücke sind, welches aus dieser ruhm vollen Verbindung entsprießen soll. Glauben Sie mir, wenn eine so wahrhaft schöne und tugendhafte Neigung nicht dem Interesse des Staates und dem Riss nie.res Königs cntgegcnstünde, sie würde mich zu sehr K'rn, als daß ich dem hämischen Neide nicht Trotz ic:en könnte, dem sie meine Familie aussch— würde. Hätte ich wohl die Kraft, diese Nebe zu bekämpfen und Marien entfernen zu 'vollen, wenn cs sich für Sie, mein König, um weiter nichts handelte, als um eine zwar passend" Verbindung, jedoch ohne absonderlichen Ruhm and Nutzen? Nein, ich könnte Sie nur betrüben, in dem ich Ihnen den größtmöglichsten Dienst leistete. Und silbst in diesem Augenblicke, wo ich Ihre Maje stät anflehe, meine Nichte reisen zu lassen, ihr die Schmähungen eines vom langen Kriegsungemache ge reizten Volkes zu ersparen, ist es noch immer Ihr Vorthcil, der mich beseelt. Denken Sie an die Em pörung, zu der sich leicht ein Vorwand finden kann, wenn sie das Mädchen zurückhalten; denken Sic, bis zu welchem Ucbcrmaß der Wuth sich das Volk gegen die jenigen vergessen kann, der Sie die Ruhe Frankreichs opfern. Möchten Sie mindestens die Gefahren Ma riens einsehen!" „O ich wäre zu glücklich, eines so schönen Todes - zu sterben," rief Marie mit Begeisterung, „und dieß ist auch nicht das Unglück, welches Sie fürchten," fügte sic hinzu, sich zu dem Cardinal wendend. „Aber Sie reden von dem Ruhm des Königs, Alles muß diesem Namen weichen; er weiß, wie ich für jenen Ruhm schwärme, zu dem die Liebe in seinem Herzen schlum merte, ehe er mich liebte; er weiß, daß jede meiner Handlungen, jedes meiner Worte keinen andern Zweck hatte, als ihn seiner selbst würdig zu machen, ihm das Verdienst, den Geist, den edlen Charakter zu enthül len, den er von Gott erhalten, um die Menschen zu regieren; ich allein sagte ihm, daß er jene ausgezeich neten Fähigkeiten besitzt, die den Ruhm eines großen Fürsten sicherer stellen, als alle Allianzen in der Welt; ich allein dachte daran, ihn aus dem lethargischen Schlaf zu wecken, in den man seinen Geist gelullt. Nicht seinen Ruhm also wollen Sie, sondern eine Fessel, mehr, ihn zu ketten; Sie wollen seine Krone zieren, um länger das Sccpter in der Hand zu halten, das er wieder erfassen wollte, und damit diese Wahrhei ten ihm nicht zu Ohren kommen, seinen Geist nicht überzeugen, darum schicken Sie mich in die Verban nung! . . . darum tödtcn Sie mich! . . „Beruhigen Sie sich, Marie," rifl König, da er sah, wie der Cardinal die Lippen zu Kmmenl ii'ss, „beruhigen Sie sich. Nein, nie wird.'.'.vn mich bewegen, dieß gräßliche »cst. m bringen. Das kann man nicht i-erümgen. Ihr Oheim kann nicht meine und Ihre Verzweiflung wollen." „Wohlan denn, Sire," sagte der Cardinal mit er- lünstelter Mäßigung, „nehmen Sie die Zügel der Herr schaft wieder, die man mich anklagt, Ihren entziehen zu wollen; zerreißen Sie den Vertrag, die Frucht so vieler Sorgen und Mühen, und finden Sie, wenn Sic können, Menschen und Geld genug, um den Krieg sortzusetzen gegen das beleidigte Spanien und den Prin zen von Co n dö-, dessen Parthei alle die neuen Mißver gnügten vergrößern werden, die ihre Weigerung machen wird. Ergreifen Sic die Waffen gegen Ihr eignes Volk, um seine murrende Klage zu ersticken; wenden Sie endlich alle die Schläge atz, welche Sic bedrohen. Ich gestehe, Sire, daß ich kein Vertrauen mehr in meine Kraft habe; trotz der Erinnerungen an die Stürme, denen ich unlängst widerstand, um Ihre