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- verletzten Weibes war in ihrem Gesichte zu lesen. Obnc zu antworten, sah sie Raimund an. Er ver stand, waS sie aussprach, und wollte ihre Hand ergrei fen , aber sic zog sie hastig zurück. „Raimund," sagte sic endlich, und der Anstrengung ungeachtet, konnte, sie ihren Unwillen nicht ganz ver bergen, „Sie sind unglücklich, und ich komme nicht - hierher, Ihnen Vorwürfe zu machen. Ich will Ihnen Lebewohl sagen. — Raimund, dachten Sie nicht daran, was ich leiden mußte, da unsre Liebe durch einen fremden Mund Lügen gestraft wurde! Und ich, die ich Sic gestern noch mit der ganzen Innigkeit zärtlicher Leidenschaft liebte! Ich Verblendete, daß ich mich so hintcrgchen ließ." „Valentine!" sagte Raimund, „ich habe mir kein Unrecht vorzuwerfen. Ich wünsche den Argwohn zu zerstören, den Sie gefaßt haben. Das junge Mädchen, das mich retten wollte, denn nur von dieser können Sie sprechen, ließ sich von einem Gefühle hinreißcn, welches mir so unbekannt war, daß ich es bis gestern nicht verstanden habe. Wenn ich Ihnen mein Ehren wort als Mann gebe, wenn ich Ihnen auf das, was uns das Theuerste ist, schwöre, daß Marie mir ganz fremd ist, dann müssen Sie mir glauben." „Es ist nicht möglich!" „Es ist wahr." Valentine warf auf Raimund wieder einen jener Blicke, welche sich mit den Blitzen eines Gewitters vergleichen lassen. Sie war eifersüchtig, doch nicht von jener Eifersucht, welche durch Schmerz tödtet, sondern n der, die durch Haß und Rache ausartct. „Sprechen Sie kein Wort; ich müßte Sie hassen wegen Ihrer Falschheit, und würde ihr doch nicht ver zeihen." Raimund antwortete nicht. Er hatte in der Nähe seines Kerkers ein Geräusch gehört, und wendete sich ab, seine Unruhe zu verbergen. Als das Geräusch endete, erhob er die Augen wie der, und sah Valentine vcrzweiflungsvoll weinen. Ehe in dem Herzen eines Weibes das Gefühl des Hasses das der Zärtlichkeit ersetzt, ist mehr als ein Lag erforderlich. Valentine vergaß einen Augenblick, daß Alles Raimund anzuklagen schien, und machte sich den Vorwurf, die Tage noch zu vergiften, die vielleicht schon gezählt waren. Dieser Gedanke beherrschte alle anderen, und sie wollte dem Unwillen Schweigen ge bieten. IZge-nd und verlegen näherte sie sich Rai mund, legte ihren Kopf auf seine Schulter und sah il)n mit jener studirten Sanftmut!) an, welche eine Frau in ihrer Gewalt hat, wenn sie Unrecht vergüten will. lFortsetzung folgt.) W!<rrie von Mancini.*) Von Sophie Gay. Die Jugendliebe Ludwig XIV. für Marie von Mancini, eine der Nichten des Cardinal Mazarin, hatte einen um so höheren Grad der Leidenschaftlichkeit erreicht, je mehr sich ihm von Maria's Seite eine un überwindliche Schüchternheit entgegensetzte, verbunden mit einer Hingebung ohne Grenzen und einer Zärt lichkeit, in die sich ihr ganzes Leben und alle ihre Ge danken verloren. Diese heftige Neigung des jungen Monarchen entrüstete die Königin Mutter über die Maßen, hielt aber den Cardinal Mazarin in einer Un entschlossenheit fest, die cs ihm Anfangs unmöglicl machte, den Hoffnungen Anna's von Oesterreich au richtig entgegen zu kommen. Denn dieses Minist hatte sich einerseits die Angst bemächtigt, er kö seinen ehrgeizigen Wünschen gar zu viel opfern- dcrseits fürchtete er auch eine so günstige Gel entschlüpfen zu lassen, die ihn auf den höchste" der Größe erheben konnte, da es sich ja dar delte, ein Mitglied seiner Familie auf den Thr reichs zu setzen. Er sah jedoch bald ein, l litische Zustand Europa's, die Unterhandl nicns, welche lediglich die Vermählung mit dem jungen Ludwig bezweckten, und Bedürfnis; des Friedens, der eine Folgc düng sein sollte, seinen ehrgeizigen mächtige Hindernisse entgegcnstelltcn: sich denn, den Absichten der Kör beizutrcten, und der Leidenschaft von Mancini entgegen zu arbeiten: versprach er auf das Schloß Br *) Die Sccnc, welche wir Hb Augen führen, ist einem neuen l rühmten Madame Sophie Gap —- und bildet eigentlich der -in einen viel weit!