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!26 Mauthbedienten, Schreiber oder abwesender Offiziere, die oft ihre Frauen und Sklavinnen Tage oder Jahre lang allein lassen, unter der alleinigen Obhut ihres Gelübdes, oder einer Matrone, die nicht schwer bestech lich ist, und die man mehr als ein Beförderungsmittel, denn als ein Hinderniß betrachten kann. In dieser Klasse, wie unter solchen Verhältnissen, zweifle ich nicht, daß die eheliche Treue, oder das Ei genthumsrecht in Betreff der Sklavinnen, oft verletzt werden könne. Aber auch noch in diesem Falle würde man die Verirrung der türkischen Frauen mehr aus ihren Erziehungsmangel und die Langeweile, mit der sic zu kämpfen haben, schreiben müssen, als auf einen natürlichen Hang zur Jntrigue und zur Ausschweifung. Ich wiederhole es nochmals, solche Beispiele sind äu ßerst selten, und nichts ist leichter, als in den Gesin nungen einer Muselmännin, selbst wenn man schon einige Mal mit ihr zusammengelroffcn ist, sich zu irren." Um seine Behauptung noch mehr zu bekräftigen, erzählt de la Borde ein Abenteuer dieser Art, das ihm selbst begegnet ist. Eine Frau, die er schon einige Mal in den Bazaren und an anderen Orten gesehen, und die er recht gut erkannte, obgleich sie eine kleine weiße Larve auf dem Gesichte trug, die nur ihre großen brau nen Augen bemerken ließ, traf mit ihm eines Tages in einer engen Gasse in Groß-Kahira (Kairo) so dicht zusammen, daß beide sich unmöglich ausweichcn konn ten. Sie ritt auf ihrem Esel, hatte zwei Saps oder Treiber zur Seite, und eine schwarze Sklavin, die ein Kind 'm Arme hielt, ebenfalls auf einem Esel reitend, yinter sich. De la Borde war zu Pferde, von einem SayS begleitet. Die Straße war mit belasteten Ka- meelen angesüllt, die in unabsehbarer Reihe langsam vorüberzogen. Die türkische Dame war sehr reich gekleidet, und ihr schwarzer Schleier, wie der darunter befindliche rosenfarbne, nebst der kleinen weißen Larve von ge stickter Leinwand, und den Pantoffeln schienen ganz neu, waren äußerst zierlich und deuteten die Sorg falt an, welche das Frauenzimmer auf seinen Anzug legte. Den Vorschriften der Klugheit gemäß, die man im Morgenlande mehr als irgendwo beobachten muß, ließ unser Gewährsmann nur einen oberflächlichen Blick über die Dame hinglciten, doch bemerkte er schnell an der großen Aufmerksamkeit, womit sic ihn betrachtete, daß er ihr nicht gleichgültig sei, was ihn um so mehr betraf, da er sich erinnerte, sie schon einige Mal gesehen zu haben. Er betrachtete nun auch sic mit größrer Aufmerksamkeit, und wechselte einige Blicke mit ihr. Bald darauf benutzte sie das Gedränge, worin die vorüberziehcnden Kameelc sie gebracht, schaute zuerst forschend um sich, neigte sich sodann gegen ihren Says, und flüsterte ihm einige Worte zu. Die Kamcele waren vorüber. Man mußte sich trennen. Im Vorbeireiten heftete sie ihre großen Au gen auf den als Muselmann gekleideten Europäer, der schon seinen Weg fortsetzen wollte, als der Treiber, mit dem sie gesprochen, ihm sich näherte und schnell zu ihm sagte: „Morgen eine Stunde nach dem lVIogi-vb (Abendgebet) findet Euch im lieoleeleet lussuk (in der Josephgasse) ein. Ich werde Euch dort erwarten." — „Ich werde da sein," war des Andern Antwort. — Der vorspringende Laden eines Dattelhändlers entzog ihm gleich darauf die schöne Unbekannte aus dem Gesicht. Er begab sich zur bezeichnten Stunde an den be stimmten Ort, wo er den Says fand, der ihn, nach einigen Umständen, bei seiner Gebieterin einführte. Diese, welche sich ziemlich lange erwarten ließ, war eine schöne Frau, von ziemlich regelmäßigen, aber kalten Gc- sichtszügen. Sie erschien in ägyptischer Kleidung, von sehr reizendem Schnitt, in einem hellblauen Leibchen, einem Rosarock, mit blauem und roscnfarbnem Bande, wie mit Goldfliltern besetzt, und blaßrothcn seidnen Beinkleidern mit einem goldgestickten Gürtel um den Leib. Ucbergchen wir das Uebrige. — Die schöne Mu selmännin de la-Borde's war die Frau eines t Offiziers, im Dienste des Pascha's von Aegyp ... war aus Karamanien gebürtig, und hatte sich in eine. Alter von fünfzehn Jahren verheirathet. Ihr Gatte war nach Griechenland geschickt worden, und hatte die Arme ohne Geld und Empfehlung zurückgclassen. Es war also mehr aus materiellem Bedürfniß, denn aus Leidenschaft, daß sie die Bekanntschaft wohlhabender Männer zu machen sich bemühte, unter denen unser Gewährsmann wahrscheinlich weder der erste, noch der letzte gewesen sein mag.