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118 von ihm, dem Eingänge zu, mit einer befehlenden Geberde. „Wohin denn, Marie," sagte der Schäfer unter würfig, „wohin soll ich mit Dir gehen? Nach dem Ehrom Dhu kannst Du, und wärst Du so stark wie ich, vor dem Morgen nicht kommen, außer, wenn Du den Südhang des Leufelsdamms ersteigst, und selbst, wenn Du droben auf dem Geklipp bist, so braucht's stärkerer Gliedmaßen und eines festem Fußes, als Du hast, um die andere Seite hinab zu klettern." „Das ist nicht noth, Murdoch," erwiederte die Un glückliche, in ihrem frühem Tone hülfloser Verzweiflung. „Wir können bei dem Werk des Verhängnisses, wären wir ihm auch ganz nahe, nur zusehen, — und das können wir eben so gut von der Klippensirste selbst." Der Sturm hatte etwas nachgelassen, als sic auf brachen, und wiewohl der Schnee noch fortwährend in dichten Flocken siel, so legte doch kein undurchdringlicher Gestöber-Nebel ihrem Weitergehen Gefahr wie Mühsal in den Weg. Murdoch wurde von seiner gebrechlichen Führen» mit einer Rührigkeit fortgerissen, die wie die Wirkung einer übernatürlichen Kraftbegabung erschien. Sie drängte vorwärts auf ihrer Bahn durch die Schnee wehen mit einer Eile, die selbst seine Kräfte stark in Anspruch nahm, und glitt über die steile, mühevolle Lehne, die zum Teufelsdamme aufführte, mit einer Raschheit und Leichtigkeit empor, daß Murdoch das Blut starrte, ob dem Gedanken, wie doch sonst die Jungfrau so schwach und schnell erschöpft im Vergleich gegen ihn sei. Endlich war die Spitze der Klippe er reicht, und Marie, auf ihrem Gmth, blickte hinab in die wilde Tiefe des Chrom Dhu. Der Chrom Dhu war ein ödes Moor, oder viel mehr Torfbruch, laublos und pfadlos, das in einem langen Streifen wilder Unfruchtbarkeit am Fuße des klippigcn Steilhangs hingähnte. In der Milte dieser Wüste lag ein kleiner Pfuhl Sumpfwasser, unergründlich tief, aber fast von allen Punkten aus, wenn auch ste hend und unbewegt, an der pechschwarzen Farbe seiner Oberfläche leicht erkennbar, welche als hinlänglich bür gendes Abwehrmittel gegen das Vieh galt, das sich sonst zu seinem Rande hätte locken lassen mögen. Die wilde Eigenthümlichkeit des Chrom war diese Nacht gänzlich von der reinen Schneedecke verschleiert, die tief und fleckenlos auf seinem düster» Boden lag. Selbst über den Pfuhl, da er schon früher zugefroren, breitete sich das Alles deckende weiße Leichentuch. Der matt- lichte Schein des Himmels und die Einfarbigkeit der Erde machten jeden Gegenstand, selbst am Fuße der Klippen, deutlich sichtbar, und wie ein Steinbild stand Murdoch, hinabschaucnd und jede Sekunde, die er zählte, erwartend, den Leichcnfeierzug Angus Bane's auf seinem Wege nach dem Kirchhofe auf das Chrom hcreinwallen zu sehen. (Beschluß folgt.) Die eigenhändige» Briefe Napoleons. Blanqui hat auf seiner Reise nach Korsika eine wichtige Entdeckung gemacht, nämlich die der Memoi ren und Briese, welche Napoleon von seinem l4ten ! bis zum 20stcn Jahre eigenhändig geschrieben hat und die bekunden, daß er, auf dem Gipfel seiner Macht an- HZ gelangt, nur die Pläne auszuführcn hatte, die er seit ^ langer Zeit ausgebrütet. Einige Fragmente aus diesen Briefen werden die Leser in den Stand setzen, über die Wichtigkeit derselben zu urtheilen. „Schicken Sie mir," schrieb er im Jahre 1792 an den Archidiakonus Lucian, seinen Großonkel, „schicken Sic mir 290 Franks. Diese Summe wird hinrcichen, um nach Paris zu gehen. Dort wenigstens kann man H sich zeigen, Bekanntschaften machen, die Hindernisse s überwinden. Alles sagt mir, daß ich meinen Zweck erreichen werde. Wollen Sic mich daran verhindern wegen 400 Franks, die mir fehlen?" Ein andres Mal schrieb er im Jahre 1789 von Auronne an einen Freund seiner Familie: „Ich habe keine andre Hülfsquelle, als die Arbeit. Ich kleide mich nur alle acht Tage einmal an. Seil meiner Krankheit schlafe ich nur sehr wenig. Ich halte täglich nur eine Mahlzeit, um drei Uhr Nachmittags, e und dieß ist meiner Gesundheit sehr zuträglich." Aber von allen diesen Briefen ist unstreitig einer der merkwürdigsten der, welchen er in Form eines Mcrkuriale an seinen Bruder Lucian schrieb, bei Ge legenheit einer von demselben verfaßten patriotischen Proklamation, wovon dieser ihm ein Exemplar zuge schickt hatte. „Ich habe Deine Proklamation gelesen, sie taugt nichts. Es sind zu viel Worte und nicht genug Gedanken. Du jagst nach Pathos. So redet man nicht zu den Völkern. Sie haben mehr Takt > und Verstand, als Du glaubst. Deine Prosa wird ' mehr Uebles als Gutes bewirken u. s. w." Druck von C. P. Melzer in Leipzig.