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109 Es ist die Gabe des Sprechens, welche zu gleich mit jener der Vernunft den hohen Vorzug unsrer Natur vor allen anderen Wesen bildet. Dieses ist, nur in einigen dürftigen Zügen, der Gang der schaffenden Natur, des allgemeinen Lebens von einer geringem Vollendung zu einer immer hohem. Dieß ist das geistige Band, welches die Weltseele, von Glied zu Glied gehend, um alles Lebendige geschlungen und wodurch die einzelnen Züge zu einer großen Schrift voll tiefen Sinnes werden. Das starre Reich der Steine, das glanzende der Metalle drängt sich, wie wir gesehen haben, Stufe vor Stufe der belebten Pflanzen- und Thicrwclt zu; die Pflanze selbst erhalt im höchsten Moment ihres Daseins, in der Zeit ihrer Blüthe thie- risches Leben; und das gesammte Thierrcich, wiederum durch zahllose Formen wandelnd, strebt Schritt vor Schritt der Krone der irdischen Schöpfung, der Mensch heit, zu. In einzelnen lichten Blicken sehen wir die Vorahnung des menschlichen Daseins an dem thierischen vorübcrgehcn, und öfters wird dieses noch im Scheiden gleichsam durch ein fernes dämmerndes Bewußtsein verklärt, wovon ich hier schlüßlich nur ein Beispiel ansühren will. In der kalten Wüste des Meeres lebt ein Thier, welches lebendige Jung- gebiert, die cs an seinen Brü sten groß säug.t, und das auch sonst in seinem ganzen Baue mit den vollkommensten Säugthieren überein stimmt; ja im Baue seines Gehirnes sich dem Men schen näher verwandt zeigt als alle übrigen Tkicre auf Erden, näher als der Elephant und die Affen. Dieses sinnreiche Geschöpf, dessen beständige Liebe zu dem Menschen und zur Musik schon bei den Alten berühmt war, ist der — Delphin. Er gesellt sich im Meere immer zu den Schiffen, und das vom festen Lande verbannte Geschlecht scheint sich in seiner öden nur von einer unvollkommnen Natur bewohnten Heimath der Nähe des Menschen vor allen anderen Thieren zu freuen. Wenn wir nun dieß und hauptsächlich den vollkommncn Organismus seiner Natur betrachten, so erhält eine andre Thatsache, welche von vielen Natur forschern bestätigt wird, eine um so tiefere Bedeutung. Der sterbende Delphin soll nämlich seine Jäger, in deren Nähe ihn ein unwiderstehlicher Naturdrang ge führt, und an welche er durch seine eigne Liebe zu den Menschen verrathen ward, mit einem Blicke arischen, in welchem sich der Schmerz und gleichsam ein sanfter Vorwurf oder ein Flehen um Mitleid so tief ausdrücken, als in dem menschlichen und in welchem durchaus keine Spur des thierischen zu entdecken ist. Es hat dieser tiefe, sinnige Blick, den man sonst noch an kei nem Thiere so deutlich bemerkt hat, viele Beobachter in Staunen gesetzt, da man ihn am wenigsten bei ei nem Wesen erwartet, daß die Natur einer beschränkter!: Thierklasse, den Fischen, äußerlich ähnlich gemacht hat. Vielleicht dämmert rruch hier in der Natur des sterben den Thicres der erste Strahl eines Bewußtseins, und die Vorahnung eines künftigen höhern, des — mensch lichen Lebens. Endlich tritt ein Wesen in die lange Reihe der Lebendigen, begabt mit einer Organisation, mit Vorzü gen, wie sie die ganze große Thicrwclt nicht aufzuwci- scn vermag. Doch alle Stimmen schweigen und Nie mand kann Kunde geben, woher dieses Wesen gekom men und wohin cs gehen wird. Es ist der Mensch, der plötzlich als Palme der Schöpfung erscheint. Der Weg hinter uns ist dunkel und nur zuweilen wird er durch Träume von einer sonderbaren Innigkeit und Klarheit, die wohl unter einander, nicht aber mit dem jetzigen Dasein in Beziehung stehen, erhellt. Wir müssen in diesen, noch mehr aber in dem tiefen und dunkeln Gcheimniß der Sympathien und Antipathie- öfters die Erinnerung an einen vorhergcgangncn Zustand anerkennen. Endlich tritt noch die tiefte Naturwissen schaft, Aufschlüsse und gewisse Merkzeichen gebend, hinzu, so daß der zurückgelcgtc Weg wie ein ferner dunkler Schatten von der Seele wahrgcnommcn wird. — Was aber jenseits ist, wird uns nicht in dnnkclm Traume, nicht in dumpfen Vorahnungen verkündigt, sondern nur in dem klaren, lichten Werke des Lebens, in dem tiefen und heuern Streben des Gemüthes verstanden und aus diesem fällt ein seliger Schimmer auf die dunkle Kluft jenseits, welcher uns mit fröhlichen: Ver trauen hinüberschauen läßt. Druck von C. P. Melzcr in Leipzig.