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91 sein Inneres verrieth, so wandte sich endlich Ida mit erstaunten Blicken und den Worten an den Freund: „Fehlt Ihnen etwas, Karl?" „Ja," crwiederte dieser, ohne sich weiter zu erklä- V I ' I re n — „Sie scheinen mir," fuhr Ida fort, „trotz der wie der erhattnen Freiheit nicht ganz zufrieden, nicht glück- ^ i lich zu sein." 4 „Sie haben es getroffen; meine Verlassenheit ist mir drückend und lästig, wie die Wucht der Mauern, welche mich früher umschlossen." „Sehen Sie aber nicht Freunde um sich, die den wärmsten liebevollsten Antheil für Sie an den Tag legen?" „Ja ich bin diesen den innigsten, wärmsten Dank schuldig, doch kann mich ihre Liebe nicht ganz befriedi- I gen." „Nun, so müssen Sic sich eine Lebensgefährtin wählen!" fuhr Ida mit Wärme und Herzlichkeit fort, „ja, Sie müssen heirgthen. Nicht wahr, Robert?" wandte sie sich darauf an den eben hinzukommenden Geliebten, — „wir werden für unfern Freund noch eine passende Gattin finden, eine Witlwc, welche be reits in der Schule des Lebens bewährt worden; zum Beispiel Frau Botterschmidt; sie hat Vermögen, sie ist schön, achtungswerth, lebhaft und munter. Ja, Karl muß mit ihr verbunden sein und dieß schon in zwei Wochen, an demselben Tage, welcher unserm Le- 1 bensglückc lacht. Er wird dann an unserer Seite le ben und wir werden uns Alle des Glückes freuen." „Des Glückes?" cntgegnete Karl mir verzagender, matter Stimme. „Ja, Ihr — doch ich? — Niemals!" Darauf entfernte er sich rasch, um vor den Glückli chen den Strom der Thräncn zu verbergen, die ihm aus den Augen flössen. Ida und Robert sahen sich nach seiner Entfernung lange mit verlegenen, fragenden Blicken an. „Der Unglückliche!" unterbrachen sie endlich fast gleichzeitig das lange Schweigen. Das Mädchen versank darauf wieder in ein düste res Nachdenken. Es erwachte nun eine Vermulhung in ihrer Seele, welche sie Robert nicht mitzutheilcn wagte. Dieser vergaß in dem Gefühle seines Glücks bei Ida bald des Unglücklichen, welchem ein widriges, grausames Geschick jede Freude des Lebens versagt hatte. Plötzlich erhob sich Ida von der Seite des Verlobten, als sie über ihren Häuptern düstere Gewitterwolken hcranzichen sah. Sie kehrte in die nahe Wohnung zurück, wahrend Robert sich entfernte, dem Pastor einen Besuch abzustattcn. Als Ida in ihr Zimmer gekommen, schloß sie die Fenster aus Furcht vor dem nahen Gewitter. Die schwüle Luft schien ihr das Herz zu beengen. „Ich fühle eine so heftige, unerklärliche Angst," wandte sie sich an Madame Staring; „es ist mir, als müßte jeden Augenblick der Blitzstrahl auf mein Haupt nicderfahren." Kaum hatte sie diese letzten Worte gesprochen, als man in dem Garten einen Schuß fallen hörte. Ida wandte ibren Blick rasch nach dem Lieblingsbaumc des Gefangnen und sah Karl dort an der Stelle seiner glücklichen Kindheitsträume getroffen niedersinkcn. Er hatte sich die Schatten des Erinncrungsbaumcs mit Vorliebe erwählt, um unter demselben die Nacht seines Lebens mit der des Todes zu vertauschen! — Die sechs Helden in der Schlacht bei Austerlitz. Während der Schlacht bei Austerlitz, in dem Au genblicke, wo sie am hitzigsten war, hörte Napoleon, dessen Aufmerksamkeit nichts entging, in der Richtung nach rechts von sich in einer Tiefe eine Trommel zum Angriff rühren. Obschon der Lärm zu nahe war, als daß es ein ernstes Gefecht sein konnte, so rief er doch einen seiner Adjutanten, den Herrn vonQuetsbourg herbei und befahl ihm, nach jener Gegend hinzurcitcn und zu sehen, was es gäbe. Der Offizier eilt hin, kommt, bei der geringen Entfernung, bald an, und was erblickt er? Vier Infanteristen, unter Anführung eines beriltncn Chasseur und an ihrer Spitze einen kaum 14jährigen Tambour, der wie rasend zum An griff trommelt. Alle sechs nehmen mit entschlossncm Schritte ihre Richtung gerade auf eine Kanone zu, den Rest einer dcmontirten Batterie, die aber noch bedient werden kann und von 12 bis 15 Mann vertheidigt wird. Der Adjutant reibt sich die Augen, staunt vor Ver wunderung und kann sich bei dem Anblick dieser furcht baren Kolonne, die, mit gefälltem Bayonctt, unerschro cken auf die österreichische Redoute losstürzt, des Lachens nicht enthalten. Er reitet im Galopp zurück, kommt wieder beim Kaiser an und erstattet seinen Rapport.