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75 liche Stellung wohl mit sich bringen. Aber sie war einst meine Gespielin. Glauben Sie nicht, daß mein Gemahl irgend daran Schuld ist, daß ich Ihnen diesen Morgenbesuch abstatte, er glaubt vielmehr, ich wisse von dem Borfalle nicht das Mindeste und wie sollte er auch glauben können, daß er mir bekannt sei? Ist mein Gemahl doch diese Nacht nicht nach Hause ge kommen! Sie sehen daher, wie sehr er mich verlassen! Kommt es zu jenem schrecklichen Momente, der uns auf immer von einander trennt, so binterläßt er mir kein Andenken! Gestern Abend war ich bei einer mei ner Freundinnen; einige Personen, die in der Oper gewesen waren, kamen später auch dahin und ohne mich zu kennen, erzählten sie, was daselbst vorgefallcn sei; so erfuhr ich jenes Begebniß. Man fügte hinzu, daß Sie gereizt und insultirt worden wären und man sagte auck, daß Sie nicht nur einer der tapfersten, son dern auch der gewandtesten Officiere der Armee sind. Nun werden Sie begreifen, warum ich zu Ihnen ge kommen. So wie die Sachen stehen, würde ich mich für schuldig an dem Tode meines Gatten halten, hätte ich gezaudert, zu Ihnen zu eilen. Es ist dringend nö- thig, daß das Duell nicht Statt finde."" „„Das ist unmöglich, Madame,"" crwicderte der Hauprmann lebhaft. „„Wie, mein Herr?"" „ „Ja, Madame, falls sich Herr oe Vcrriörcs nicht bei mir entschuldigt und "" „„Entschuldigt! Das wird er nicht thun,"" cnt- gegnete Madame de Vcrriüres; „„Sie glauben nicht, bis zu welch' hohem Grade mein Gemahl die Zunei gung treibt, die er für die erwähnte Dame hegt. Er betrachtet Sie als einen Nebenbuhler und ich bin fest überzeugt, daß er Sie auf das Tiefste haßt."" „„Nun, Madame, wenn das der Fall ist, wie können Sie wünschen "" Madame de Verriöres erhob sich und ließ den Blick ihrer schönen Augen auf den Hauptmann fallen, dann knieete sie vor ihm nieder, dieser hob sie schnell auf. „„Das würde fruchtlos sein,"" sagte er der un glücklichen Gattin. Da wurde in demselben Augen blicke sehr stark geklingelt. „„Das sind die Duellpersonen," " sprach der Haupt mann. ,,„O Himmel! was soll aus mir werden? Hat dieses Gemach einen doppelten Ausgang?"" „»Rein, Madame, aber beruhigen Sie sich, Ihr Gemahl soll Sie nicht erblicken und vertrauen Sie mir, ich verspreche Ihnen sein Leben."" Indem er dicß sprach, schob er sie in ein Cabinet, das er doppelt verschloß, steckte dann den Schlüssel zu sich und beeilte sich, zu öffnen. „„Kein Geräusch, Herr de Vcrriöres,"" sagte er . halblaut, „„Suchen Sie sich Waffen aus, wenn Sie keine mit haben, im entgegengesetzten Falle nehme ich die Ihrigen. Mein Zeuge erwartet mich in seiner Wohnung, an der wir nach dem Gehölze vorübcrge- hen müssen. Gehen wir also."" Aus dem Geräusche, das die zugcschlossen werdende Thüre verursachte und aus dem Stillschweigen, das bald darauf in dem Zimmer eintrat, ersah Mgdame de Berriöres sehr leicht, das die Zweikämpfer sich auf den Kampfplatz begeben haben müßten. Dann stellte sie Betrachtungen über ihr Betragen an. , Was hatte sie gethan? Früh Morgens sechs Uhr war sie zu einem jungen Manne gegangen, den sie nicht kannte; einen schwer beleidigten Officier wollte 'sie von einem noth- wendigen Duelle zurückhalten. Sie hatte nur früher an sich, nicht an die Lage desjenigen gedacht, den sie so sonderbar beanspruchte. Der Hauptmann Thibaut sollte sich nicht schlagen können? Diese Frage hätte man überall aufgeworfen, wenn er es unterlassen und zwanzig Duelle hätten seinen verlornen Ruf nicht wie der Herstellen können. Ob das Duell erlaubt oder moralisch sei, darüber beunruhigte er sich sicher nicht, cs war in den Sitten, namentlich in den Sitten der Armee begründet, und das genügte. Sie war in dem Cabinete eines Junggesellen eingeschlossen, und indem sic schon im Woraus den Hauptmann für den Sieger hielt, so durfte sie nur von dem Mörder ihres Gemahls die Wiedererlangung ihrer Freiheit erwarten. Zwar hatte er ihr die Schonung des Herrn de Berriöres ver sprochen, aber wie sollte man sich im Angesichte des Gegners und in der Hitze eines Kampfes des einer unbekannten Dame gegebenen Versprechens erinnern? Und wenn dagegen nun ihr Gatte den Hauptmann tödten würde, was dürfte dann mit ihr sich zutragen? Wie konnte sie dann unter die Augen der Freunde des Gebliebenen — geblieben vielleicht, weil er ihr gehor chen wollte — treten? Dann würde man gewiß nicht anstehcn zu sagen, sie habe den Hauptmann geliebt, sie habe ihn gegen ihren Mann aufgercizt, um sich an einem treulosen Gatten, einer verhaßten Nebenbuhlerin zu rachen und daß wohl am Ende der Tod ihres Gatten ihr Werk sei. Sie war fast trostlos, vergoß