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74 goncrcapitain, glaube ich, im sechsten Regiment, ein guter Officicr und dccorirt." „Ja, Sire, und der Capitain, der wahrscheinlich wußte, daß ich von der Madame de Verriöres einen Brief empfangen würde, hat mich ebenfalls um Vor sprache beansprucht." „Diese Frauen, diese Pariserinnen'," rief der Kaiser lachend aus, „beunruhigen meine Officicre bis zum An- bruch'e einer Schlacht; ich möchte meine Capitaine nicht gern vcrhxirathet wissen, besonders wenn sie jung sind; bei einem Obersten mag. das noch so hingchen. .. „Wenn Sie wüßten, Sire, wie sich der Capitain Thibaut bei einem sehr dclicatcn Vorfälle benommen hat, Ew. Majestät würden sicherlich eine Hcirath er lauben, die einen braven Officier bereichern wird, ohne ihn in seiner Laufbahn zu hemmen." „Du glaubst das? Nun, Duroc, wir wollen se hen, morgen nach der Schlacht. Der morgende Tag kann so manches Project zerstören. . . . Aber erzähle mir doch die Geschichte, Duroc." Der Kaiser warf einen Blick auf einen zur Halste von einer Karte bedeckten Waffenstillstandsvcrtrag, lauschte einige Minuten dem Getreide der Armee draußen, dann setzte er sich vor das kleine Kamin der Hütte, woselbst ein rauchiges Feuer brannte, und gab Dur«- das Zü chen, sich neben lym niedcrzulassen. Der Groß-Mar schall gehörte und begann: „Im vorigen Jahre erhielt der Hauptmann Thibaut einen vicrwöchenllichcn Urlaub, den er in Paris ver lebte. Als er eines Abends in der Oper war, bemerkte er in einer Loge eine schöne, junge Frau allein; und ihrem Benehmen, ihrem leicht hingcworfcncn aber sei nen Anzuge und ihrer Toilette nach, glaubte er, sie werde die Huldigungen eines galanten Junggesellen nicht zu- rückwcisen. Er ließ in die Hand der Logenschließerin einen Thaler gleiten und dadurch eröffnete sich die Loge. Und in der That befand er sich sofort bei einer der graziösesten Figurantinnen des Balletcorps. Mademoi selle Delphine hatte schöne Augen, einen blendend weißen Teint, eine reizende Gestalt und noch viele an dere anmuthige Vorzüge. Der Hauptmann war ga lant, liebenswürdig, lebhaft und er hatte nur wenig Zeit nöthig, zu bemerken, daß er seiner Tänzerin nicht mißfalle, als ein Herr, ein noch junger Bürgerlicker, auf ungestüme Weise die Logenthür aufriß und mit erhobener Gestalt, gebieterischen Geberden und lauter Stimme zum Capitain sagte: „„Was wollen Sie hier, mein Herr?.... Und Sic, Mademoiselle, kommen Sie, folgen Sic mir!"" Eine in solchem Tone begonnene Unterhaltung konnte nur mit einem ernstlichen Wortstreite enden. Der Hauptmann benahm sich mit großer Mäßigung, aber der Beschützer der Mademoiselle Delphine war so er regt, daß auf den morgenden Tag ein Zweikampf be schlossen ward. Der Gegner des Hauptmanns war der Herr de Verriörcs, welcher jetzt seine Adresse ab gab und dakci bemerkte, daß der Hauptmann nicht nöthig habe, Jemanden zu beunruhigen, er werde mor gen früh um sieben Uhr mit einem Zeugen erscheinen Ew. Majestät wissen, wie wenig ein Duell einen Offi- cicr beunruhigt. Die Affaire scheint nur dann bedenk lich zu werden, wenn man sich mit einem Soldaten messen soll, handelt es sich dagegen um ein Begegniß mit Jemandem, der nicht die Ehre hat, die Uniform zu tragen, so ist ja das Ganze nur ein Kinderspiel. Thibaut war fest überzeugt, der Tänzerin zu gefallen, und er beschloß sich morgen doppelt an ihrem unver schämten Protcctor zu racken. Wohlgemut!) und zu frieden verließ er die Oper, als hätte er gleichsam sek ncn Abend gut angewandt. Am andgrn Morgen, um sechs Uhr, bei dem Hauptmanne und eine Dame trar »»>> etwas verstohlene Weise in das kriegsmuscnnartig mit Waffen ausgeschmückre Zimmer Thibaut's. Die Dame ließ sich in einen ihr von dem Hauptmanne dargebod nen Lehnstuhl nieder, entschleierte sich dann und sagte «„Ich bin die Madame de Verriöres."" Es war eine reizende, schöne und zugleich anm thige Frau, sie besaß einen seinen Anstrich guter G sellschast, jene Decenz, die man nur für angeboren hal ten muß, jene Würde in der Haltung, welche ein et-j was sonderbares Betragen mindestens läßt. „„Sie sind Madame de Vcrriörcs?" Hochachtung der Hauptmann. „„Ihr Herr c^ema.,, ist sehr strafbar, Madame."" „„Gegen Sie, mein Herr?"" „„Nein, gegen Sie, Madame."" „ „Mein Herr, das Betragen, das ick Ihnen offen bare, liefert Ihnen den Beweis der Anhänglichkeit, die eine Frau für ihren Mann besitzt, sei seine Aufführung auch, welche sic wolle. Mir ist nichts unbekannt, mein Herr; ja noch mehr, ich kenne jene junge Person, der sich mein Gatte zugcneigt, obwohl wir uns jetzt beide sehr entfernt stehen, wie das meine und ihre gesellschaft-