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V31 plötzlich stürzten ihm ein paar große Thränen aus den Augen. »Ist das keine Täuschung?" lallte er in höchster Rührung. „Ist das wirklich kein Eomödienspiel? Nein, nein, ich erkenne die Handschrift des Herrn Sekretär Mitzenbach — o, meine Herrn — vcrzeihn Sie, daß ich — daß ich weine — ich bin heute so weich gestimmt —" „Männchen, was hast Du?" fragte die Registra torin voll Besorgniß und froher Erwartung. „Höre! höre!" rief Herr Schubert, und nun ver suchte er zu lesen, konnte aber nur einzelne Worte Her vorbringen. „Auf das Gesuch des Registrator Schu bert — hohes Ministerium — Resolution — 200 Thalcr — Erati — sication —" Der Glückliche setzte sich erschöpft nieder. „Wie?" rief die Frau Registratorin, vor Freude außer sich —^ „eine Gratisication von zweihundert Tha- Icrn?" „Das gute Omen ist cingetroffcn!" jubelte Heinrich und drückte seiner Schwester die Hände. Die drei Kna ben, die nicht wußten, was vorgehe, aber doch die Bewegung ihres Vaters sahen, glaubten, es sei ihm ein Unfall zugcstoßen und singen an einstimmig ein Geschrei zu erheben. Dieß brachte den Vater wieder zu sich. „Seid ruhig, Kinderchen," sprach er, sich erhe bend. „Was schreit ihr, was heult ihr? Euer Vater ist ja ein lustiger Mann!" „Lesen Sie zu Ende!" sprach Richard, der einen Blick auf das Schreiben geworfen, „es steht noch mehr darin." „Noch mehr?" fragte der Registrator mit ungläu biger Betonung. „Das wäre ja Zauberei!" „Erlauben Sie mir wohl?" sagte ich. „Lassen Sie uns doch sehen, wie es mit der Zauberei steht." Damit nahm ich ihm das Papier aus der Hand und las die letzten Worte: „Eine Gehaltserhöhung von 100 Tha- lern." Die Stärke des Eindrucks läßt sich kaum beschreiben, den diese Miltheilung auf die Herzen des Registrators und seiner Gattin machte. Wie wahnsinnig rannten sie an einander, um sich zu umarmen, stießen aber in dem Fanatismus der Freude mit den Köpfen dermaßen zu sammen, daß sie schwindelnd zurücktaumclten. Miller, Richard und ich klatschten dabei in die Hände und riefen Bravo! Nachdem die Ruhe einigermaßen wiederhcrgestcllt war, warf Richard die Frage auf, woher ich das Schreiben habe. „Ja, ja, woher? woher," rief der Re gistrator mit singender Stimme, im Zimmer umhcrtan- zend. Plötzlich stand er still — „Ihr Bekannter, Ihr Freund — der Edle — jetzt weiß ich — es ist —" „Nun?" „Es ist kein anderer, als der Herr Sekretär Mitzen bach!" „Oder," fuhr ich fort — „oder auch —" Der Registrator klappte zusammen, wie ein Taschen messer, als sich die Thür öffnete — „Mein Gott! der Herr Geheime Rath!" Darauf entstand eine augenblickliche Pause, während welcher sich Herr Schubert immer tiefer bückte, und die Frau Ncgistratorin Knix auf Knix machte. „Guten Abend!" sprach mein Onkel humoristisch. „Es freut mich, so heitere Gesellschaft zu finden. Nun, lieber Herr Schubert, sind Sie mit mir zufrieden?" Dieser wollte seinem Vorgesetzten dankbar die Hand küssen, welche ihm jedoch entzogen ward. Er war keines Lautes fähig, sein immer gebeugter Nacken war dafür die beredte Sprache seine Empfindungen. Mein Onkel hatte die größte Mühe, den Registrator wieder, ich möchte sagen, zum Bewußtsein zu bringen. Indessen sprach der Präsident mit Heinrich — und ermahnte ihn, eifrig auf der Bahn der Kunst fortzu streben. „Ein Künstler," setzte er dann hinzu, „muß sich in der Welt, und vorzüglich in Italien umsehn — cS wäre möglich, daß Sie übcr's Jahr ein Neisestipendium erhalten." Reisestipendium — Italien — Gratisication — Ge haltserhöhung — diese süßen Worte gingen von Lippe zu Lippe. Der Registrator schlug sich fortwährend auf die Brust und belheucrte dem Geheimen Rath, wie ohne alle Grenzen dankbar er sei und wie er alle seine Kräfte aufbictcn werde, sich der Gunst seiner hohen, edlen Vor gesetzten werth zu machen. Mein Onkel und der Präsident konnten sich bei den Ergüssen des Registrators des Lachens nicht enthalten — die Aehnlichkeit der Figur, die sie im Theater gcschn, mit dem Original war die treffendste. Jetzt winkle Miller mir und Richard. „Ich will," sprach er leise, „nun kein Geheimniß mehr daraus machen, ich habe das heute dargestcllle Registrütorstück geschrieben." „Was?" fragte Richard erstaunt. „Und ich wußte kein Wort davon?" „Es war eine Grille von mir, mich nicht zu nenncn, wie cs eine Grille ist, nie der eisten Vorstellung eines