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628 „Bist Du wieder da?" sagte ich, „Du hast wohl Bekannte gefunden?" „Hm!" erwiedcrte jener geheimnißvoll, als ob er sich nicht erklären wollte. Kaum hatte Miller ihn erblickt, als er ihm ent- gcgcnrief: „Nun, was giebl's Neues? Wie ist's mit dem Lustspiele?" „Ein Lokalstück," antwortete Richard lachend, „das allem Wcrmuthen nach oft wiederholt werden wird. Die Scene spielt hier, im L....schcn Kaffee garten, und interessante Dresdner Figuren sollen, nicht ohne persönliche Beziehungen, in dem Lustspiele Vor kommen." „Wirklich?" lachte der Advokat, während der Re gistrator mit offnem Munde dasaß. „Wer ist der Held des Stücks?" „Hm!" entgegnete Richard wieder; dann fügte er hinzu, sich gegen Herrn Schubert verbeugend: „Ein Registrator spielt die Hauptrolle." „So!" sprach Herr Schubert. „Käthchen sagte schon —" „Ja," unterbrach ihn Richard, „und mir dünkt, Si e können die heutige Darstellung für ein gutes Omen nehmen. Der Herr Registrator bekommt am Ende des Stücks eine bedeutende Gratifikation!" „Wie? Eine Gratifikation?" „Gewiß! Und was als ein zweites, gutes Omen kommt hinzu — nun, rathcn Sie? — ich weiß durch Zufall gewiß, daß der Geheime Rath von Brünau im Theater gewesen ist. Er wird an Sie gedacht haben!" „Mein Gott!" rief Herr Schubert; „mein College in der Comödie ist doch ein fleißiger Arbeiter, ein ge wissenhafter Diener —?" „Freilich, fresiich! Wie würde man ihm sonst eine Gratisication geben?" „Gratifikation!" wiederholte jener gerührt. Die Frau Rcgistratorin begleitete alle Bewegungen ihres Gatten mit lebhaften Zeichen der Theilnahme. Hein rich sprach launig: „Siehst Du, Water? Man muß den Muth nicht sinken lassen; mir ist's, als hätt' ich eine Ahnung, daß Du mich recht bald mit einem guten Reisegeld nach Italien schicken wirst, von wo ich als ein berühmter Maler wiederkommen werde.'Dann werde ich im Stande sein, Dir zu vergelten." Milter sing jetzt wieder an zu sprechen und lenkte die Aufmerksamkeit auf sich. Unterdessen nahm mich Richard auf die Seite. „Höre,7 flüsterte er mir in's Ohr, „im Saale daneben speist Dein Onkel, der Geheime Rath." „Hast Du recht gesehen?" versetzte ich erstaunt. „Und wär' er wirklich im Theater gewesen? Er be kümmert sich doch sonst nicht viel darum?" „Das mag sein; vielleicht hat er heute seine ganz besonder» Gründe gehabt — kurz, er ist in der besten Laune, denn denke Dir, Pauli, welcher die Haupt rolle gegeben, hat unfern armen Registrator Schubert täuschend copirfl" „Wär's möglich!" rief ich lachend und biß mir auf die Lippen, als ich meine Blicke zum Original hinüber wendete. „Was ist? Was habt Ihr?" fragte der Advokat, seine Unterhaltung abbrcchend. „Draußen ist ein guter Bekannter von mir," ant wortete ich. „Laden Sie ihn ein, zu uns zu kommen!" verr setzte jener schnell. „Soll ich das wirklich?" entgegnete ich. „Wenn es den Herrschaften angenehm ist?" sagte Miltcr. „Oh!" crwicderte der Registrator und verbeugte sich tief. „Mir ist Alles recht! Ich habe hier gar nichts zu bestimmen." „Mit Ihrer Erlaubniß denn!" sprach ich, mich ebenfalls verbeugend und begab mich eilig in den Saal. — Hier angekommen, bemerkte ich meinen Onkel auf den ersten Blick, denn er war von seinem Stuhle aufgestanden und nahm eben von mehren Personen — unter denen eine junge, wie mir schien, sehr in teressante Dame — Abschied. „Auf recht baldiges Wiedersehen!" hörte ich ihn sagen, worauf jene unter freundlichen Grüßen sich empfahlen und das Zimmer verließen. Der Geheime Rath blieb mit einem ältlichen Mann, den ich bald als den Präsidenten der Maler- akadcmie, seinen Freund, erkannte, am Tische zurück. Jetzt näherte ich mich grüßend und vernahm sogleich aus den ersten Worten, mit denen ich empfangen ward, daß Richard in Betreff der guten Laune meines Onkels wahr gesprochen. „Ah, unser Poet!" rief er mir entgegen — Poet nannte er mich blos, wenn er einmal den Geheimen Rath ganz vergaß und nur den Onkel walten ließ — „Wärst Du eher gekommen, so hättest Du können die Bekanntschaft einer höchst liebenswürdigen Dame ma chen, einer weitläufigen Verwandten aus Berlin, die zu Besuch gekommen und wegen deren ich heute in's