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626 einen öffentlichen Ort, wir schränken uns ein, so viel es geht, wir wenden jeden Groschen um — " „Guter Herr Registrator," siel ich ein; ich war wirklich in großer Verlegenheit und verwünschte tausend mal meine unzeitige Schwatzhaftigkeit. — „Guter Herr Registrator — liebe Frau Negistralorin — " und wen dete mich unruhig, mit peinlichem Lächeln hin und her und hätte sonst was darum gegeben, wenn ich in die sem Augenblicke einen witzigen Einfall gehabt hätte. „Meinen herzlichsten Glückwunsch," sprach Madam Schubert, indem sie sich ein wenig vom Stuhle er hob und einen kurzen Knix machte. „Was mein Mann sagt, hat seine Richtigkeit. Wenn Sie einmal bei Gelegenheit mit dem Herrn Geheimen Rath —" „Frau!" fuhr der Registrator auf, „das würde sich ja nicht schicken." Er wollte noch mehr hinzufügen, als Geräusch vor dem Hause und im Saale neben uns entstand. Wagen fuhren, Pferde stampften, dir Kutscher und die Kellner riefen sich einander zu und neue Gäste schienen zu kommen. „Ah, das Schauspiel ist geendigt!" sagte Richard. Wer mit unserer Lokalität bekannt ist, wird wissen, daß sich nahe an dem L....schen Kaffeegarten Dres dens Sommertheater befindet, eine elende Bretterbude, die allem Andern auf der Welt ähnlicher sieht, als einem Tempel der Kunst. Man giebt dort Spektakel stücke und Possen, und das stille, sittige, gemäßigte Dresdner Publikum zieht da, so zu sagen, einmal seinen alten Adam aus, indem es sich lebhaftere Zeichen des Beifalls und Mißfalls erlaubt. Wenn wir nicht irren, ist sogar schon einmal ein Schauspieler daselbst ausgepsiffen worden; doch wagen wir dieß nicht mit Bestimmtheit zu behaupten. Heute war ein neues Stück: „der Unterbeamte" gegeben worden, das allgemein angesprochen zu haben schien, das schlossen wir aus dem lauten Gelächter im Nebensaale, unter welchem man sich an die Posse erinnerte. „Pauli als Registrator war ausgezeichnet!" hörten wir rufen. „Ein achter Scribax! Ein verkümmerter Aktenwurm!" — Richard sah mich mit fragendem Lächeln an und stand von seinem Sitze auf, um Erkundigungen über die Posse einzuziehcn. Der Registrator befand sich in der größten Unruhe; der Umstand, daß ich der Neffe des Geheimen Rathes sei, erfüllte sein Herz mit einein Gemisch von Entzücken und Verzweiflung, von dem er noch gar nicht zu sich selbst kommen konnte. Dazu der betäubende Lärm der hungrigen und durstigen Gäste in unserer Nähe, und die Angst, daß man die Thüre vielleicht öffnen und ihn, den schlichten,, sparsamen Registrator, an einer reichen Abendtafel sitzen sehen möge; außerdem das Gefühl von seinem nicht ganz nüchternen Zustande, welcher ihm den letzten Rest von Fassung zu nehmen drohte — dieß Alles machte seine arme Seele schwindeln. Er schnappte nach Luft, er streckte den HalS, um seine einigermaßen in Unordnung gekommene Haltung wieder zu gewinnen, er seufzte unwillkürlich, und die Röthe seiner Wangen sing an zu erbleichen, wie mir dünkte. Dabei gab er sich je doch die allergrößte Mühe, seine Gemülhsqual zu ver bergen; er lächelte sogar, als freue er sich über die laute Fröhlichkeit, welche vom andern Zimmer herüber schallte. „Das Stück," sprach er und sah mich fast zärtlich dazu an, „muß sehr schön gewesen sein. Darf ich ergebenst fragen, wie es heißt?" Ich gab vor, den Titel nicht zu wissen, vielleicht besann ich mich in jenem Augenblicke auch wirklich nicht darauf; doch Katharinchen unterbrach mich, dem Vater zunickend — „Wenn ich recht gehört, so wird in dem neuen Stücke Dein Stand durchgehechelt, Väterchen; ein Registrator soll darin Vorkommen." „Wie, ein Registrator?" fragte die Mutter höchst verwundert. „Nun, so etwas ist auch noch nicht da gewesen !" Herr Schubert wußte nicht, was er sagen sollte, er beschränkte sich auf einige So's, welche er mit sehr zerstreuter Miene hervorbrachte. „Aber Sic trinken ja gar nicht, meine Herrschaf ten?" rief jetzt Milt er, die Flasche zur Hand nehmend. „Die Bühne.sind die Bretter, die die Welt bedeu ten, die Muse des Lustspiels verschont Niemanden mit ihrer Neckerei — lieber Herr Registrator, wollen Sie nicht austrinken?" „Danke, danke ganz verbindlichst, es möchte mir zu viel werden." „Ah, zu viel! Wo denken Sie hin? — Ja, ja, selbst Sokrates hat sich einst müssen gefallen lassen, vom Alheniensischen Theaterpublikum verlacht zu wer den. Keiner entgeht seinem Schicksale, das darf uns nicht kümmern. Nicht wahr, Herr Heinrich?" Dieser fuhr aus seiner nachdenkenden Stellung auf, ohne zu wissen, wovon die Rede sei. „Hohoho," lachte Milter, „wo waren Sie eben? Gewiß in Rom oder Florenz vor einem Gemälde von Raphael oder Leonardo da Vinci!" Ehe Heinrich antworten konnte, fuhr Milter fort: „Nun, Richard