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616 „Halt, meine Herrschaften, che Sie anklingen, er lauben Sie mir ein paar Worte," rief er — „Frcu'n sich gute Menschenkinder, Fragt man nicht: „wer nimmt? wer giebt?" Keins ist mehr und keins ist minder, Darum lebe — was sich liebt!" Der Registrator fiel bei diesen Worten dem Advo katen um den Hals. „Darum lebe, was sich liebt!" sprach er mit Thrä- nen in den Augen. „Herrlich!" vers< ,eine Gattin, höchst gerührt, wobei sie ihrem Sohne die Hand drückte, um auch sein Verdienst nicht ohne Anerkennung zu lassen. „Nun, mach' den Schluß!" sagte Richard, mir zuwinkend, mit einem schnellen Blick auf Käthchen, indem er deren Aufforderung, zu sprechen, von sich ablehnte. Ich rieb mir die Stirn, ergriff mein Glas und extemporirte etwas zögernd: „Und die allerschönste Blüthe Für der Lust und Liebe Kranz Blühet aus der Frau'n Gemüthe Und verleiht ihm Duft und Glanz.' Wem zuerst es gelten solle? Leicht ist die Entscheidung, traun: Hoch erhebt das Glas, das volle, Huldiget — den holden Prau'n!" „Den Frauen!" jubelten Richard und Milter; „den Frauen," stimmte Herr Schubert ein, „ja, bei Gott, Ihr verdient's! Kommt, kommt, stoßt an, Kinder! Mir aus der Seele gesprochen, guter Herr! Den Frauen, den holden Frauen!" Zu wiederholten Malen klangen die Gläser lustig aneinander. Madam Schubert verbeugte sich, ganz schamroth von der großen Ehre, die ihr zu Theil ward, nach allen Sei ten und nippte von ihrem Weine und verbeugte sich wieder und immer wieder und flüsterte unverständliche Worte des Dankes durch die lächelnd zusammenge preßten Lippen. Käthchen sprach unbefangen ihre Freude über den von drei verschiedenen Verfassern ausgebrachten Trinkspruch aus, indem sie noch beson ders mit ihrem Bruder Heinrich ansticß, indem sie ihn bat, näher zu ihr zu rücken. „Du bist mir zu still dort an der Tischecke," sagte sie, „und mein Herr gute Schwester, sie sprach diese Worte mit einem Tone, der mich deutlich erkennen ließ, wie sehr sie sich freuen würde, wenn ich ihren Bruder liebge- winncn würde. Abgesehen von der Aehnlichkeit mit Katharinen in den Gesichtszügen, hatte mir sein beschei denes und schlichtes Benehmen gleich anfangs gefallen, zumal, da ich mir, bevor ich ihn gesehen, eine ganz andere Vorstellung von ihm gemacht hatte. Die Herren Akademiker in ihren altdeutschen Röcken und Halskragen und Sammetbaretten, sie waren an meinem Vorurtheil schuld gewesen. Heinrich, hatte ich gewähnt, könnte nicht anders aussehen, als sie, und die Lobeserhebungen des Vaters und der Mutter hatte ich auf Rechnung ihres elterlichen Stolzes gesetzt. Ich bat dem jungen Manne mein Unrecht in Gedanken ab und war herzlich froh, mich getäuscht zu haben. Sehr bald merkte ich im Ge spräch mit ihm, daß er zu den liebenswürdigen Jüng lingen in einem Verhältnisse stehe, wie etwa sein prinzlicher Namensgenosse bei Shakspeare zu dessen liederlichen Ge nossen, d. h. was die geistige Ueberlegenheit betrifft, denn ein lockeres Leben hatte keiner von ihnen bisher geführt. Heinrich war zu gutmüthig, zu jung und unerfahren, um die schalen Gesellen, welche sich schmeichelnd an ihn drängten, entschieden zurückzuweisen und ertrug sie ge duldig, und stimmte, so gut es ging, in ihren Ton ein. Dazu kam noch der Umstand, wie mir Käthchen andeu- tetc, daß jener breitrückige Künstler ein weitläufiger Ver wandter des Präsidenten der Malerakademie war und deßhalb mit besonderer Schonung behandelt werden mußte. Dieß mochte wenigstens der Herr Registrator seinem Sohne immer von neuem als eine unerläßliche Nothwendigkeit einschärfen. Rücksichten nehmen, das schien ja überhaupt von jeher der Wahlspruch des Herrn Schubert gewesen zu sein, und so sah er nun selbst mit seinem gebeugten Nacken und seiner respekt vollen Haltung wie eine personisicirte Rücksicht aus. Heinrich, in solcher Atmosphäre ausgewachsen, war nicht frei von ihrem Einfluß geblieben, was mir die Unterhaltung mit ihm einigermaßen erschwerte; er wagte sich nicht recht mit einem freien Wort heraus, gab befangene Antworten und schien sich vorzüglich über seine eigenen künstlerischen, Produktionen und Pläne gar nicht gut äußern zu können, doch zeugten einzelne abgebrochene Sätze von seinem liefern Eindringen in das Wesen der Kunst, von seiner Selbstständigkeit (Beschluß folgt.)