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560 Feuer regen selbst Thiere auf. Mit Spiegeln neckten die Römer die wildesten. Milten in Deutschland mußte vor Kurzem ein junger Offizier den Eindruck büßen, den ein großer, frei stehender Ankieidc-Spiegel auf seinen gewaltigen Hund machte, den er in das Zimmer einer Dame mitgenommen. Sich selbst sehend, stürzte die Dogge wülhend in den Spiegel und zerbrach ihn. Dagegen grüßte eine Frau im Spiegel-Saal zu Schwczingen ihr Bild, das sie für eine andere Dame hielt, sehr höflich und wunderte sich, daß diese so artig grüße, aber auf ihre freundliche Ansprache kein Wort erwiedere, nur die Lippen, wie zum Scherz, bewege. Spiegel waren inhaltrciche Symbole bei den Grie chen: von Narcissus, der ähnlich und unähnlich dieser Dame, sein Bild im Wasser wieder sah, bis zum Zeus der dionysischen Geheimnisse, der mit dem Spiegel, dem Symbole der ewigen Erkenntniß der Welt oder des göttlichen Sclbsibcwußlscins als Kind spielte. Es ist eigen: der Mensch vergißt, wie Jesus Sirach sagt, immer sein Gesicht, so oft er aus dem Spiegel weg blickt und doch sieht mancher, dem dasselbe begegnet, in krankhaften Zuständen des Gemüths und seines Orga nismus gespensterartig seine ganze Gestalt: ein Fall, der auch Goethe'n am Rheine in einer wunderlichen Periode des Lebens begegnete, und dessen natürliche Erklärung (unter Voraussetzung bestimmter Vorkennt nisse) näher liegt, als hier gezeigt werden darf. — Ein solches Sich-Sehen ist kein Zeichen höchster Selbst- crkenntniß in dem Momente, wo es eintritt, eher ein Zeichen krankhafter oder unfreier Versunkenheit der Seele. Wenige behalten ihr Bild, auch außer dem Spiegel im gesunden Zustande: Garrick, der jede Physiognomie annehmen konnte und welche er angenommen, mit in dividueller Bestimmtheit besser wußte, als die Zöglinge in der bekannten Schule, in welcher junge Diplomaten sich übten, ihrer Physiognomien Meister zu werden. Eben so jener Maler, der sich selbst abbildete, ohne immer wieder in den Spiegel zu sehen. In sich ver liebte Narcissus-Seelen behalten selten ihr Bild. Kräftigen Künstler-Naturen ist dieses eher ver gönnt. Die Ausbildung ihres Talentes in dieser Be ziehung, die bewußte und freie Richtung auf den be stimmten Gegenstand macht es ihnen eher möglich. Des Erschlagncn Denkmal. Sie haben den Wandrer erschlagen In einer Novcmbernacht, Den Abschiedsgruß aus der Ferne Hat Niemand dem Liebchen gebracht. Sie rief an dem Osterabend Bei jedem Schrill: „herein!" Und glaubte, er werde sie necken Bei dem Tanz um der Pfingsten Mai'n. Da brachte ein Wand'rcr nach Jahren Die Trauerkunde herbei. Und gab ihr die tröstenden Worte: „Dir blieb bis zum Tod' er gclreu!" Sein Grab wird sie niemals bekränzen Da draußen im fernen Land, Drum mag es der Dichter ihr zeigen, Mit des Lebens Bildern bekannt. Es liegt auf der einsamen Haide D'ran führt ein Kirchweg vorbei, Und der sinnende Landmann am Abend Wirst drauf einen Stein oder zwei. Und betet ein Vater Unser Für jeden Wandrer der Welt, Daß sicher da Unten und Oben Er ein sich zur Hcimath stellt. Nicht lange währt's und die Steine Umranket des Mooses Grün Und dem Moose entsprießen Blumen So schön, wie auf Haiden sie blühn. Dicß sind der Erschlagnen Gräber In dem deutschen, dem heimischen Land, Wo fromme Sitte die Todten Stets gastlich zu ehren verstand. T.E.W. Berichtigungen. In der vorigen Nummer der Eilpost sind unter andern folgende Druckfehler zu corrigiren: S. 576 Anstatt: -der aus dem Schlafe aufgestörte träge Land sriede lies: der aus dem Schlafe aufgestörte ewige Landfricdc. „ — ,, zwinkernden lies: zwinkerten. „ 577 „ schnappte lies: schnalzte. „ 576 „ Omizky lies: Jüngling. Druck von C. P. Mclzcr in Leipzig.