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57Z wie du sie einst veranstaltet, würde heut' zu Tage noch weit lustiger ausfallen. Die Herren würden eher den Gejagten als den Jägern gleichen und den Schnupfen nie wieder los werden. Dann könntest du nochmals auf deinen Pelz zeigen, aber du würdest cs auch aber mals ohne Erfolg thun, das ist gewiß. Sie sehen, meine schönen Leserinnen, wie innig die Sucht nach fremden Moden mit der Geschichte der Deutschen verwachsen ist. Aber ich will Ihnen noch mehr Beispiele ansühren, falls Sie geneigt sind, mich anzuhörcn. Werlaffen wir die alte graue Modenzeit und begeben uns in die uns naher liegende Ver gangenheit. Der dreißigjährige Krieg war vorüber — ein ganzes Mcnschenaltcr hatte sich verblutet und ein neues ent stand, geboren unter dem Schutze des Friedens. Sollte man's glauben, daß jetzt die Deutschen Zeit zu Narre- theien haben könnten? Daß sie daran denken könnten, sich nach den neuesten Moden in Frankreich und Welsch land umzusehen? O, ich möchte die Muse der Ge schichte eine Verleumderin nennen, wenn sie sich nur jemals auf einer Unwahrheit hätte ertappen lassen. Und was sagt die Geschichte? Hört es, ihr lieben Deutschen — sie behauptet, zu keiner Zeit sei die Modesucht größer gewesen, als eben in der Zeit un mittelbar nach dem großen, blutigen, dreißigjährigen Kriege. Männer und Frauen hätten da gcwclteifert in narrenhaft verschwenderischer Toilettenwuth. Das machte freilich den Vernünftigen viel Sorge und Herze leid, doch ihre Worte und Warnungen und Vorwürfe sielen wie Tropfen in's Meer und ihre Stimme ver hallte vor tauben Ohren. Die armen Prediger in der Wüste, wo es Sand genug gab, den der Wind den Leuten in die Augen streuen konnte, der Flugsand des Zeitgeistes! Aber dieser Zeitgeist ist ja unter den Deut schen anerkannt; er gleicht jenem Kobold, den der ge quälte Bauer Gabriel im alten Mährchen gern los sein wollte; da verbrannte dieser zuletzt sein Haus und ritt bei Nacht davon; kaum war er eine Strecke geritten, so hört er hinter sich auf dem Pferde etwas flüstern und kichern, und als er sich furchtsam umschaut, sitzt der Kobold wieder da und lacht und grüßt ihn und spricht: „Lieber Gabriel, ich bin auch da!" Die Deut schen sind von diesem Zeitgcistkobold auch verfolgt, doch cs liegt ihnen nicht daran, ihn los zu werden, sondern sie hegen und pflegen ihn und freuen sich seiner, denn er gehört nun einmal zu ihrem Lebenselemente. So wird cs auch in Zukunft bleiben — die Deutschen wer den sich immer gern in fremden Formen sehen und doch kein Atom von ihrem inncrn Kern, von ihrer Deutschheit verlieren. Ich muß immer lächeln, wenn ich in alten Chroniken lese — immer und immer loben die Verfasser die gute alte Vergangenheit und rufen Weh über die Zeit, in der sie gerade leben. „Die gute alte Zeit!" das ist so eine Lieblingsphrase unter uns. Doch ich komme von der Sache ab. Da liegt vor mir ein Buch aufgeschlagcn, das ein Autor ge schrieben, der in der Mitte des siebzehnten Jahrhun derts lebte und unter den damaligen Sittenschilderern einer der bedeutendsten war. Unter andern behandelt er auch das Thema von der Mode auf eine sehr ein dringliche Weise, und, wenn ich mich nicht irre, so wird cs den Leserinnen nicht unwillkommen sein, diese und jene Stelle daraus zu hören. Unter dem Titel: „Kleidernarren" macht er seinem Zorne z. B. in Fol gendem Lust: „Wie?" fragt er, „willst du ein Deutscher sein? Man sehe deine Kleider an — was für ein Wamms ist das! Was für Hosen und Strümpfe! Du kommst gewiß geraden Weges damit aus Paris. O thörichter Tausch! Das alte deutsche Geld gebt ihr hin für ab geschmackte Dinge! Die Welschen freilich, die können eS sich fein zu Nutz machen. Meint ihr denn, wenn der Deutschen sauer erworbenes Gut nicht nach Paris geschickt würde für alberne neue Trachten, ihr könntet cs hier zu Lande nicht los werden? Habt ihr Deut schen nicht durch die Erfahrung fürchten gelernt: daß diejenigen Völker, dercnKleider und äußere Sitten ihr nachäfft, eure Gemüther bezwin gen, euch unterdrücken und zur Dienstbar keit ziehen werden? Haben Sie doch schon eure Sinne eingenommen! Ist euch denn das nun und nimmer gut genug, was aus eurem Vaterlande kommt? Man spürt wohl, daß ihr Verächter eures Vater landes seid und dessen Verräther! Wo ist ein Volk unter der Sonne, als die ungerathenen Deutschen jetzt sind, in ihrem Kleidertragen so unbeständig, so ekel, so närrisch. Wo sieht man dergleichen bei eucrn Nachbarn?" Nun überkommt unfern guten Eiferer die poetische Begeisterung, welche er in nachstehenden Versen aus spricht : Ich l>die Pol'n in ihrer Zier, Sie^iel^en bei der alten Manier, Wie T §