Volltext Seite (XML)
5! Säugling, in den Kleidern einer Bäuerin, von Euren verfluchten Nossen zertreten, gefunden. Hier liegt sie, ein entsetzlich schauderhafter Anblick." Giac hatte den Schluß der Rede nicht vernommen, denn von den fürchterlichen Eindrücken der letzten Stunde stürzte er besinnungslos zu Boden. Nach einer Stunde verließ er auf frischem Rosse, wie von dem Flam menschwerte verjagt, das Haus seiner Väter, mit der selben rasenden Eile, mit welcher er es erst vor Kur zem zu erreichen gesucht hatte. Man hat ihn niemals wiedergeschen. Die Loge auf der Brücke von Montereau ver schwand und die Uonne wälzte wieder ruhig ihre Wel len in die Seine. Vilte seltene Probe von Selbst beherrschung. (Wahre Begebenheit.) In jener denkwürdigen Zeit, wo sich die Spanier gegen die französische Unterdrückung erhoben, hatte einst Mürat, damals Grvßhcrzog von Berg und Bevoll mächtigter Napoleons in Madrid, einige dringende Depeschen an Junot, welcher sich in Lissabon befand, abzufertigen. Allein die sämmtlichen Straßen nach Portugal waren von Guerillas und spanischen Trup pen unter dem Oberbefehle der tapfersten Krieger der Halbinsel besetzt, an deren Spitze Castanos stand, und die Sendung erschien dcßhalb sehr gefährlich. In seiner Verlegenheit wandte sich Mürat an Stroganoff, Rußlands Botschafter am Hofe von Spanien, welcher in Madrid zurückgeblieben war. Man weiß, daß die Gesinnungen des St. Petersburger Ca- binets damals gegen Frankreich sehr freundschaftlich waren. Stroganoff meinte, es dürfte nicht schwer halten, ihm zu seinem Zwecke zu verhelfen. „Der Admiral Sin iaw in ist im Hafen von Lissabon," sagte er, „die ser soll uns zum Vorwände dienen. Wählen Sie den gewandtesten unter Ihren Lanciers; ich werde ihn in eine russische Livrve stecken und ihm einen Brief an den Admiral mitgebcn. Tragen Sie ihm Ihre Ordre mündlich auf, und ich denke, der Bursche wird glücklich an Ort und Stelle ankommcn, sollte er auch unterwegs zwanzigmal aufgegriffcn werden; denn es liegt den Insurgenten zu viel daran, unsre Neutralität zu erhal ten, als daß sie uns irgend einen Anlaß zur Unzufrie denheit geben sollten." Mürat ging mit großem Behagen den Vorschlag ein, welcher in der That als der einzig thunliche er schien. Er trug also dem Chef der Lanciers Kra- sinski auf, ihm einen entschlossenen und gewandten Menschen zu verschaffen, und dieser stellte ihm schon nach zwei Tagen einen Jüngling vor, für welchen er sich mit seinem Leben verbürgte. Er hieß Lenzinski und war erst achtzehn Jahre alt. Beim Anblicke des Jünglings, welcher sich harm los und freiwillig einer unausweichlichen Gefahr blos- stellte, zeigte sich selbst Mürat erschüttert, wie sehr er auch gewohnt war, seinen Zwecken unablässig und rücksichtslos Opfer zu bringen. Er stellte daher dem Lancier vor, welchem großen Wagniß er die Stirne biete; und daß er unfehlbar verloren sei, sobald man ihn erkennen würde. Lenzinski lächelte. „Geruhen Ew.' Hoheit, mir nur Ihre Ordre zu geben," sagte er ehrerbietig. „Ich denke mich der mir anvertrauten Mission wohl in Eh ren zu entledigen. Ich danke übrigens aufrichtig für die mir zu Theil gcwordne Auszeichnung, um welche mich jeder meiner Cameraden beneiden wird." Mürat zuckte die Achseln und crtheilte dem Reiter seine Instruction. Baron Stroganoff gab ihm das zugesagte Schreiben an den Admiral nebst einem russi schen Anzuge und Lenzinski trat seine Reise nach Por tugal an. Die beiden ersten Tage vergingen ohne widrige Ereignisse. Doch am dritten kurz vor Mittag sah sich der Lancier von einem Schwarme von Spaniern an gehalten, welche sich seiner bemächtigten, ihn entwaff- neten und vor ihren General schleppten. Glücklicher weise für den jungen Soldaten war cs Castanos selbst. Aus allen Anzeigen erkannte Lenzinski bald, daß, wer auch immer ihn in's Verhör nehmen möchte, an kein Entrinnen zu denken sei, wenn er als Franzose erkannt würde, und er beschloß daher in seinem Innern, um keinen Preis auch nur einen Laut französisch zu sprechen, sondern sich durchaus nur an das Deutsche und Russische zu halten, welcher beiden Sprachen er vollkommen mächtig war. Die wüthcnden Schmähun gen Derer, welche ihn zu dem Feldhcrrn zerrten, ließen ihn im Voraus errathen, was für ein Schicksal seiner harre, und cs bedurfte natürlich aller Entschlossenheit eines furchtlos beherzten Mannes, um unter solchen Umständen nicht den Kopf zu verlieren.