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495 Ein damaliger Schriftsteller, Namens P aradin, fällt in seiner alten Sprache ein sehr hartes Urtheil über die Hennins, welchen Namen dieser Putz erhielt. Ein andrer Priester predigte heftig gegen die Hennins, allein er wurde übel für feinen Eifer belohnt, nämlich 6 Jahre nachher (1440) als Ketzer lebendig in Rom verbrannt. Dieser Prediger, sagt Para bin, war mit einem solchen Abscheu gegen diese Art Kopfputz er füllt, daß der größte Lheil seiner Predigten ihn be traf und er die Damen, welche solche Atours trugen, mit den gröbsten Injurien und Schmähungen über häufte. Wo Bruder Thomas sich blicken ließ, ver krochen sich die Hennins, wegen des Hasses, den er ihnen geschworen hatte. Bis zur Abreise des Priesters half dieß etwas, allein nachher erhoben die Damen ihre Hörner wieder, und streckten sie nach dem Bei spiel der Schnecken, wie der Lärm vorbei war, noch einmal so lang heraus. Um diese Zeit sieht man sie im höchsten Glanze und am größten. Die Hörner er höhten jetzt die Thürcn, und die Architekten waren gezwungen, wie Montesquieu sagt, die Regeln ihrer Kunst nach den Coiffuren der Damen zu bequemen. Sie verschwanden nachher, allein nur deßhalb, um lächerlicher als je in verschiedenen Epochen wieder zu erscheinen. — In den ersten Negierungsjahrcn Lud wigs Xl. (1461) schnitten die Damen ihre enormen Schleppen und Aermel, mit welchen sie die Erde feg ten, ab, und wählten dafür sehr kurze Röcke mit außerordentlich breiten Bordüren. Man quälte sich mit ellenhohen Mützen, und nahm darauf, p.iryoquo los extremes so touelienl, so niedrige Mützen, uud plattete die Coiffure so ab, daß der Kopf der Damen wie rasirt aussah. Seide und Sammet waren nur Prin zen und den distinguirtesten Personen erlaubt zu tragen. Karls Xlll. Regierung (1483) sah minder lächer- -liche Moden erscheinen. Die Damen verließen die Bizarrerien, deren Sklavinnen sie so lange gewesen waren, putzten sich in bloßem Haar und trugen Roben von weißem Atlas. So erschien auch die Königin am Vermählungstage. Beim Todestage dieses Königs nahm seine Gemahlin, Anna von Bretagne, einen schwarzen Schleier, den ff/ seitdem nie ablegte. — Anna von Bretagne war die erste französische K'ömm'n, welche in Schwarz trauerte; alle andern bc- - - ' ^elli Die Trauer dauerte damals sehr lange. Die Herzogin von Berry, der die Trauer Ludwigs XIV. Lange weile verursachte, bewog den Regenten» sie alle, bei Gelegenheit der Trauer über die Königin von Schwe den, auf die Hälfte Zeit zu reduciren. — Alle Damen folgten entweder aus Koketterie oder Schmeichelei dem Beispiele Anna's von Bretagne. Diese traurige Farbe erhielt aber bald durch die Besetzung mit rothen und purpurfarbenen Franzen eine glückliche Veränderung. Die Mode ging nun zu den simpcln Bürgerweibern über, die, um die Hofdamen zu übertreffen, den Schleier mit Perlen und goldnen Agraffen besetzten. Letztere nahmen nun ihre Zuflucht zu besondcrn Unterscheidungs merkmalen, die Herzoginnen trugen eine Krone mit Kreuzen und einem Federbusch, und die Gräfinnen eine mit Perlen und Federbusch. Gegen diese Zeit sing Frankreich an, sich des Scep- ters der weiblichen Moden und des Geschmacks über ganz Europa zu bemächtigen. Anna von Bretagne, Ludwigs XII. Gemahlin (1498) liebte Pracht, sie zog Damen an den Hof und nun erschienen Koketterie, Lust zu gefallen und Rivalitäten und daher auch ele gantere und minder anständige Trachten. Mehr als jemals stiegen aber Galanterie und Pracht unter Franz l. (1515). Die Damen schürzten wieder ihr Haar auf; die Königin Margaretha von Navarra kräuselte die der Schläfen, und erhob das Toupet. Zuweilen verband sich hiermit eine kleine allasne oder sammctne Mütze mit Perlen, Juwelen und oben darauf ein Bouquet Blumen. Ungeachtet dieses geschmackvollen Kopfputzes erschienen noch zuweilen einige hohe Coiffuren, und suchten jenen den Rang abzulaufcn; allein der Zeitpunkt war noch nicht da. Unter Franz I. Re gierung war die lächerlichste und die Taille der Damen herabwürdigendste Modeepoche; es entstanden nämlich die Vertugadins, deren Gestalt nachher verändert wurde und deßhalb Panser hießen. Der Vertugadin war eine Art Rock mit Reifen garnirt, die nach unten hin immer weiter wurden, so daß der Körper einer Dame vom Gürtel bis zu den Füßen einen Bedientenkorbe glich. Man sagt, die erste Frau, welche den Vertugadin trug, wollte dadurch die verbotenen Früchte ihrer Liebe den Augen der Welt ent ziehen. Mag dem sein, wie ihm wolle, so ist Claudine von Frankreich, Gemahlin Franz I., die erste,welche ^'<"'em lächerlichen Rocke auf Denkmälern erscheint. (Beschluß folgt.)